© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Rettung zu Lasten des Steuerzahlers
Euro-Krise: Der Räumungsverkauf bei griechischen Schuldpapieren ist eine Aufforderung zur Nachahmung
Bernd-Thomas Ramb

Auf einem Sondergipfel haben die Regierungschefs der EU-Staaten in einer zweiten Rettungsmaßnahme zur Abwehr der griechischen Staatspleite eine Beteiligung der privaten Gläubiger griechischer Staatsanleihen beschlossen. Mit „private Gläubiger“ sind vornehmlich Banken und Versicherungen gemeint. Nur bei diesen Großorganisationen läßt sich in Absprache mit den Regierungen die Fiktion einer „freiwilligen“ Beteiligung konstruieren. Privatleute im herkömmlichen Sinne sind von diesem Teil der Rettungsmaßnahmen ausgeschlossen. Andererseits sind sie durchaus von den Verabredungen zwischen Regierung und Banken betroffen, nicht nur soweit sie tatsächlich griechische Staatspapiere halten.

Die Beteiligung der Banken und Versicherungen erfolgt in Form einer Umschuldung aktuell umlaufender Griechenlandpapiere. In den nächsten vier Jahren sollen Wertpapiere in Höhe von 50 Milliarden Euro gewandelt werden, in den nachfolgenden Jahren bis 2020 weitere 56 Milliarden Euro. Das Gesamtvolumen der privaten Umschuldungsbeteiligung von 106 Milliarden Euro umfaßt damit mehr als zwei Drittel des gesamten Betrags an Staatsanleihen von 150 Milliarden Euro, der sich nach EU-Angaben in privater Hand befindet. Bezogen auf den griechischen Schuldenberg von zur Zeit schätzungsweise 340 Milliarden Euro, sollen damit fast ein Drittel der Staatsanleihen zu Lasten der privaten Anleger reorganisiert werden.

Die Planung der Griechenlandretter sieht dabei eine zweigeteilte Umschuldungsstrategie vor. Der größere Teil wird durch einen Umtausch bestehender Anleihen in Anleihen mit sehr langer Laufzeit und Zinsen abgedeckt, die niedriger als die Marktzinsen sind. Dabei muß ein Wertverlust von 21 Prozent akzeptiert werden. Der restliche, kleinere Teil sieht einen Rückkauf der alten Anleihen zu Marktpreisen vor. Griechenland erhält Geld, um von den Banken und Versicherungen in deren Besitz befindliche Staatsanleihen vor Ende der Laufzeit zurückzukaufen. Damit kann Athen die aktuell niedrige Bewertung seiner ausgegebenen Staatsanleihen ausnutzen, um mit dem Verlustbetrag der Anleger seinen Schuldenberg sofort zu verringern.

In konkreten Zahlen bedeutet das für die erste Tranche von 50 Milliarden Euro, die Banken und Versicherungen geben in ihrem Besitz befindliche Griechenlandpapiere in einem Gesamtvolumen von 37 Milliarden Euro nach Ablauf der Laufzeit an die Griechen zurück und erhalten dafür kein Geld, sondern neue Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von 15 bis 30 Jahren, die mit 3,5 Prozent verzinst werden.

Dabei verringert sich der Nominalwert der Anleihen um 21 Prozent. Die privaten Gläubiger müssen damit 7,77 Milliarden ihres Vermögens abschreiben. Die Altpapiere zeichneten sich in der Regel durch kürzere Laufzeiten bis zu 7,5 Jahren bei höheren Zinssätzen von zuletzt 4,5 Prozent aus. Neben dem Wertverlust von 21 Prozent bedeutet damit die niedrigere Verzinsung der Tauschpapiere eine zweite eindeutige Verschlechterung, die durch die längeren Laufzeiten zusätzlich verschärft wird.

Der Anreiz für die Banken und Versicherungen, das Angebot dennoch anzunehmen, besteht in der Bürgschaft der Euro-Rettungsorganisation EFSF, sie ist Teil des bekannten Euro-Rettungsschirms. Für die korrekte Rückzahlung des neu gewährten Darlehens durch die griechische Staatskasse haftet die in Luxemburg angesiedelte Zweckgesellschaft EFSF. Allerdings nicht für die laufenden Zinszahlungen. Im Ernstfall werden die Banken und Versicherungen keinen ­Zinsertrag aus ihren Neupapieren erhalten und auf die Rückzahlung ihres Geldes 15 bis 30 Jahre warten müssen – falls dann die EU noch existiert. Für die privaten Gläubiger bleibt die Kalkulation des geringeren Maximalschadens: Die Griechenlandpapiere in nächster Zeit mit hohem Verlust zu veräußern oder sogar als Totalverlust abzuschreiben oder möglicherweise erst nach Jahrzehnten das gesamte Vermögen zu verlieren. In Höhe von 37 Milliarden Euro wollen sie sich aber freiwillig verpflichten, der zweiten Variante zu folgen.

Eine Mischkalkulation bietet der zweite Teil des Umschuldungsprogramms. Bis 2014 soll die griechische Staatsbank 20 Milliarden Euro aus der Kasse des Euro-Rettungsschirms zum Rückkauf laufender Staatsanleihen zu Marktpreisen erhalten. In Höhe von 12,8 Milliarden wollen, nein sollen sich die Banken und Versicherungen daran beteiligen – freiwillig. Für die Betroffenen stellt sich die Kalkulation, zu welchem Zeitpunkt diese Transaktion den geringsten finanziellen Schaden verursacht. Zeit haben die Banken und Versicherungen im Prinzip bis zum Jahr 2014, soweit es den ersten Abschnitt der Griechenlandhilfe anbelangt.

Bei einem momentanen Wertabschlag von 50 bis 70 Prozent, die auf dem Finanzmarkt einzuberechnen sind, bedeutet der sofortige Verkauf einen höheren Verlust als die Umwandlung in die neuen Schuldverschreibungen mit einem Wertabschlag von 21 Prozent. Die erste Devise heißt somit: Abwarten. Wie sich der Marktpreis der Altpapiere in der kommenden Zeit entwickeln wird, ist jedoch schwer abschätzbar. Er hängt von der Erwartung ab, ob mit dem neuen griechischen Rettungspaket tatsächlich eine Pleite abgewendet werden kann.

Kurzfristig werden die Kurse für die Altpapiere steigen, weil den Griechen großzügig Geld zum Rückkauf übereignet wurde, das nun locker in der Tasche liegt. Je mehr sich die Erwartung festigt, daß Griechenland einfach nicht mehr vor der Staatspleite zu retten ist, um so panischer werden die restlichen privaten Gläubiger ihre Griechenlandpapiere zu Schleuderpreisen abstoßen. Dann ist der der Gewinner – im Sinne der Verlustminimierung – der sich bereits der Schrottpapiere entledigt hat.

Bis dahin ist eins gewiß: Die Griechenlandhilfe bringt den Griechen Geld, und das erweckt die Begierde anderer Pleitestaaten zur Nachahmung. Was Griechenland gewährt wird, kann Portugal, Irland, Spanien und Italien nicht verwehrt werden. Die Lasten aber tragen nicht nur die Halter der Verschuldungspapiere dieser Staaten und damit letztlich die Kunden der Banken und Versicherungen, sondern vor allem die Steuerzahler der Länder, die dieses Rettungstohuwabohu bezahlen müssen.

Foto: Für die Euro-Rettung stellen private Gläubiger 37 Milliarden Euro zur Verfügung: Am Ende gehen alle Bankkunden und Steuerzahler baden

 

Organisation zur Euro-Rettung EFSF

Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility/EFSF) wurde im Juni 2010 als luxemburgische Aktiengesellschaft gegründet. Anteilseigner sind die Euro-Mitgliedsstaaten. Die bundeseigene Deutsche Finanzagentur (sie führt bislang die Kreditaufnahme des Bundes und dessen Schuldenmanagement durch) soll für die Euro-Rettung das Geld am Kapitalmarkt besorgen. Faktisch ist die EFSF ein „Sozialamt für Staaten“ (JF 48/10).

European Financial Stability Facility:  www.efsf.europa.eu

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