© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/11 / 12. August 2011

Dirk Bach gibt den Hofnarren
Uneinheitliches Spektakel: Dieter Wedels Inszenierung von „Die Mätresse des Königs“ vor der Kulisse des Dresdner Zwingers
Sebastian Hennig

Die Dresdner Zwingerfestspiele entsprechen der neuen intensiven Verwertungsstrategie der Schlösserverwaltung des Freistaates Sachsen. Diese reinigte ihre reizvollen Liegenschaften in den zurückliegenden zwanzig Jahren von allen nur zufälligen und herkömmlichen Bestimmungen und ordnete ihnen jeweils eine neue Authentizität zu. So repräsentiert die Albrechtsburg in Meißen das europäische Porzellan, das Palais im Großen Garten dient als Ausstellungsort der barocken Gartenplastik, Schloß Nossen als Museum der sächsischen Adelskultur und so weiter.

Folgerichtig wird nun der Zwinger wieder zur Kulisse für ein großes Spektakel. Denn dafür wurde er seinerzeit in höchster Eile fertiggestellt. 1719 ehelichte der Sohn Augusts des Starken die habsburgische Kaisertochter Maria Josepha, was mit einer mehrtägigen Fest-Inszenierung besiegelt wurde. Nachdem gewandelter Zeitgeschmack und ästhetische Gleichgültigkeit über zweihundert Jahre die Bauformen des Zwingers entstellt hatten, machte in den zwanziger und dreißiger Jahren eine Rekonstruktion die Eigenarten des Baues wieder sichtbar. Das NS-Regime wußte dann gleich die großartige Wirkung dieser Lokalität für nächtliche Fackelaufzüge zu schätzen. Später etablierte sich eine biedere und friedliche Sommerbespielung mit Ballettaufführungen und Serenadenkonzerten durch die Landesbühnen Sachsen aus Radebeul.

Nun werden das Kronentor und die Pavillons und Galerien wieder in schrilleren Farben getaucht und Lampengirlanden schützen die Rasenflächen vor Übertretungen. Den Raum zwischen den Bogengalerien vor dem Wallpavillon nimmt eine große Tribüne ein. Vor dem Pavillon befindet sich die Bühne.

Leider kommt der Reiz des Ortes über der Illumination und Beschallung überhaupt nicht zur Geltung. Das Figurentheater von Pöppelmann und Permose bekommt keine Rolle im Stück zugestanden. Die Rollwände des puristischen Bühnenbildes werden von den Statisten bewegt und reflektieren zuweilen unangenehm raumzerstörend das grelle Scheinwerferlicht ins Publikum. Insgesamt wirkt die Lichtregie sehr unbedacht.

Veranstalter der ersten Zwingerfestspiele neuer Zeitrechnung ist die Dresden Event GmbH. Intendant und Regisseur ist Dieter Wedel. Der hat in der Vergangenheit schon so manchen an sich interessanten Stoff mit den Kniffen von Film und Fernsehen noch interessanter gemacht und mit den Nibelungen-Festspielen in Worms bereits einen anderen geschichtsträchtigen Ort mit mythologischer Sommerunterhaltung verbrämt. Nun wird im Dresdner Zwinger aus Anekdoten ein neuer Mythos gewebt.

Ausgehend von der Geschichte über August den Starken und seine schwierigste Mätresse, der Gräfin Cosel, soll ein zeitloses Drama über Eros und Macht entstehen. Nur in wenigen Augenblicken wird über dem künstlichen Geflimmer und Geräusch etwas wie die Großartigkeit des Ortes bemerkbar. Der 83jährige Gunnar Möller, der einst in Berlin unter Gründgens spielte, fällt als Großkanzler Beichlingen einem Komplott zum Opfer. Als der zerbrochene Mann auf die Festung Königstein abgeführt wird, zieht ein Schwarm Krähen links über dem Pavillon seine Kreise. Später wacht der große Wagen im Nachthimmel genau über dem Bühnengeschehen.

Das Zusammenspiel der Akteure ist zwar an sich theatralisch wirkungsvoll und handwerklich sehr gediegen. Aber das der Ton aus den Lautsprechern von den Balustraden schallt und nicht aus der Richtung des Sprechenden kommt, irritiert und ermüdet den Zuschauer. Die Gesichter der Darsteller werden auf der Tribüne nur noch als weiße Flecken wahrgenommen, die das Scheinwerferlicht greller reflektieren als die Kleider. Filmprojektionen sollen dazu dienen, die Wahrnehmungslücken zu füllen, aber sie vergrößern das sinnliche Chaos nur.

Die Leistungen der Schauspieler und auch der Text von John von Düffel sind eigentlich zu gut für diese Verhackstückung. Keiner der Stars spielt sein Gegenüber an die Wand. Der Fernsehkasper Dirk Bach markiert den Hofnarr Fröhlich in geradezu vornehm komödiantischer Zurückhaltung. Die schlanken Mätressen, darunter Ex-Bohlen-Freundin Estefania Küster, fungieren mehr als Bühnen-Mannequins denn als Schauspieler. Tom Quaas als Reichsgraf Fürstenberg posiert dann auch als Karl Lagerfeld-Double. Teresa Weißbach als Gräfin Cosel ficht in einer Szene einen Degenkampf aus mit Götz Schubert als August dem Starken. Als die ehrgeizige Frau in die Politik eingreifen will, wird sie in die Verbannung auf die Burg Stolpen geschickt. Damit endet das Drama nach drei Stunden und einer halbstündigen Pause.

Die solide Spielpraxis fördert Perlen zutage, die von der technischen Maschinerie zur Sau gemacht werden. Eigentlich sollten besser alle Aspekte im einzelnen genossen werden: ein Filmspektakel, ein Hörspiel, eine Festbeleuchtung, ein Theaterstück oder eine atmosphärische Abendstunde im Zwingerhof. Alles zusammen und zugleich löscht sich aus.

 „Die Mätresse des Königs“ wird im Rahmen der Zwingerfestspiele in Dresden bis zum 21. August jeden Abend um 20.30 Uhr aufgeführt. Kartentelefon: 0 18 05 / 57 00 85  www.zwinger-festspiele.de

Foto: Götz Schubert als August der Starke (auf dem Thron sitzend) und Dirk Bach als Hofnarr Fröhlich bei den Dresdner Zwingerfestspielen 2011: Eine solide Spielpraxis fördert Perlen zutage

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