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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/11 / 12. August 2011
Haltungsnote Daß das intensive Starren auf die Mattscheibe den Hirnmuskel verkümmern läßt, ahnt das deutsche Bildungsbürgertum, seitdem Neil Postmans „Amusing Ourselves to Death“ (Wir amüsieren uns zu Tode) 1985 auf deutsch erschien. Aber nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera dimmt sich langfristig das Geisteslicht, wie das Beispiel des Fernsehpfarrers Jürgen Fliege zeigt. Der ehemalige Nachmittagstalker, der von 1994 bis 2005 täglich in der ARD die Hausfrauenherzen zum Schmelzen brachte, scheint den Boden der christlichen Theologie schon seit langem verlassen zu haben. Jüngst beglückte das protestantische Selbstvermarktungsgenie seine Jünger mit der „Fliege Essenz“. Dazu ließ er auf seiner Internetseite mitteilen: „So habe ich nun meine Essenz herstellen lassen. Ich habe über sie gebetet wie über Weihwasser. Ich habe immer wieder meine Hände aufgelegt, um den Trost und die Kraft in die Essenz zu senden. Sie soll ein Segen sein.“ Für nur 39,95 Euro erhalten die Fans des Wohlfühlchristen 95 Milliliter einer „Art Ursuppe, die sich Bioregulat nennt“. Bei dem esoterischen Fliegensekret, das die „biologischen Regulationsvorgänge“ im Körper unterstützen soll, handelt es sich um ein Produkt der Kaskadenfermentation. Dabei werden „frische Früchte, Nüsse und Gemüse in mehreren Stufen durch Fermentation bis in ihre Ursprünge aufgeschlossen und dann konzentriert“. Der 2010 emeritierte Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland läßt nicht nur geheimnisvolle Elixiere brauen, sondern selbstverwirklicht sich zugleich mit der Herausgabe eines Fliege-Magazins, der Produktion von Fliege-TV und der Gründung einer Fliege-Stiftung. Wo früher das Kreuz hing, sitzt heute offenbar ein egozentrischer Brummer an der Wand. |