© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Bayern rüstet zum „Kampf gegen Links“
Aufklärung: Die CSU nimmt den Linksextremismus ins Visier
Ronald Gläser

Alexander Dobrindt platzte fast der Kragen. Unerträglich sei die Verklärung des sozialistischen Systems durch die Linkspartei, schimpfte er. Im Interview mit der Bild am Sonntag forderte der CSU-Generalsekretär härtere Maßnahmen: „Das muß eine verschärfte Beobachtung dieser Partei durch den Verfassungsschutz zur Folge haben. Und wir müssen auf dieser Grundlage prüfen, ob gegen die Linke nicht ein Verbotsverfahren eingeleitet werden sollte.“ Ein Verbotsverfahren gegen die Linke – so wie einst gegen die NPD. Es ist ein kleines politisches Erdbeben, das sich in Bayern dieser Tage ereignet. Zumal Dobrindt keinen Zentimeter von seiner Forderung nach einer härteren Gangart gegen die Postkommunisten abgewichen ist oder von Parteifreunden zur Räson gerufen worden wäre.

Jahrelang wurde die Auseinandersetzung mit politischem Extremismus in Deutschland auf den einseitigen „Kampf gegen Rechts“ verengt. Doch jetzt läuft auf mehreren Ebenen eine Gegenbewegung. Nachdem Bundesfamilienministerin Kristina Schröder erstmals 2010 einen kleinen Betrag ihres Haushaltes für Kampf gegen Linksextremismus zur Verfügung gestellt hat, rüstet sich jetzt auch der Freistaat Bayern zum Kampf. Gerade erst hat der Verfassungsschutz im Freistaat zum ersten Mal eine Information über „Linksextremisten im Internet“ herausgegeben. Darin wird davor gewarnt, daß Linksradikale verstärkt soziale Netzwerke im Internet zur Mobilisierung und zur Diffamierung politischer Gegner nutzen.

Die Münchner CSU erneuerte Anfang August ihre Forderung, endlich dem „Kafe Marat“ die Mittel zu streichen. Dieser linksextremistische Szenetreff erhält einen jährlichen Mietkostenzuschuß aus der Stadtkasse in Höhe von 39.000 Euro (JF 16/11). Sicher wollte die CSU damit auch dem populären Bürgermeister Christian Ude (SPD) eins auswischen, der jetzt im Spiegel-Interview seine Kandidatur als bayerischer Ministerpräsident angekündigt hat. Andererseits ist der Vorstoß typisch für die neue Linie der Christsozialen: Der Linksradikalismus wird neuerdings als brandgefährlich angesehen. Die Zahl der Linksextremisten ist laut Verfassungsschutzbericht für 2010 mit 5.020 noch immer bedrohlich hoch. Fast auf jeden Rechtsextremisten kommen zwei Linksextremisten. Bei den Gewalttaten geht die Gefahr eindeutig von links aus. Die Zahl der Delikte stieg auf 172 – verglichen mit 58 rechtsextremen Übergriffen.

Am kommenden Montag geht die bayerische Offensive in eine neue Phase. Dann startet Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der sich gerade für eine stärkere Überwachung der Linkspartei ausgesprochen hat, eine Internetseite gegen Linksextremismus. Eine staatliche Netzseite, die einzigartig in Deutschland ist – ein Gemeinschaftswerk von Innenministerium, Verfassungsschutz und Landeszentrale für politische Bildung.

Unter der Adresse www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de (die Adresse www.bayern-gegen-linksextremismus.de hatte sich ein linker Aktivist gesichert) werden eine Landkarte mit Standorten von linksradikalen Gruppierungen präsentiert und ausgesuchte Straftaten von Linken dokumentiert. So wie die vielen Netzseiten, die sich mit Rechtsextremisten befassen – nur, daß der Fokus diesmal auf den Linken liegt. Linksradikale Kleiderordnung soll ebenso beschrieben werden wie die Taktik bei gewalttätigen Demos oder die szenetypische Haßmusik.

„Wir wollen an die Eltern ran“

„Wir wollen an Eltern ran, die sich fragen: Wo chattet mein Kind da? Ist das nur ein bißchen Protestmusik oder schon gefährlich, wenn dazu aufgerufen wird, Cops zu massakrieren? Wenn Bullen als Bastarde bezeichnet werden. Das finden viele Leute in Bayern bestimmt nicht gut“, verrät ein Sprecher des Verfassungsschutzes der JUNGEN FREIHEIT über die Zielrichtung der neuen Seite.

Lange haben die Behörden den Linksextremismus vernachlässigt. Jetzt ahnen sie, daß es Gegenwind geben wird. So klagt der Verfassungsschützer: „Bei den Seiten gegen Rechtsextremismus waren immer alle dafür, das ist jetzt wohl nicht mehr so.“

Aber die neue Linie könnte auch Nachahmer in anderen Ländern finden. So forderte inzwischen auch der Vorsitzende der Jungen Union Thüringen, Stefan Gruhner, eine stärkere Überwachung der Linkspartei, die er für den politischen Arm der linksextremen Szene hält. Und auch der Innenminister von Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), verlangte nach einer provokanten Lobeshymne auf die Berliner Mauer in der Jungen Welt, „die linksextremistische Szene scharf in den Blick“ zu nehmen.

Am Montag will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Seite gegen Linksextremismus freischalten. www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de

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