© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Großkampftag für die Polizei
Hamburg: Die Sicherheitsbehörden bereiten sich auf das von Linksextremisten organisierte „Schanzenfest“ vor und schauen mit bangen Blicken nach England
Arnold Steiner

Am kommenden Wochenende soll in Hamburg das diesjährige linke Schanzenfest stattfinden. Genau weiß man das vorher nie so genau, denn offiziell angemeldet wird die Veranstaltung, bei der es seit Jahren immer wieder zu massiven Krawallen und Auseinandersetzungen von Linksextremisten mit der Polizei kommt, nie. Im vergangenen Jahr etwa lieferten sich die Randalierer bis in den frühen Morgen Straßenschlachten mit über 2.000 Polizisten. Bilanz der Krawallnacht waren elf verletzte Polizisten, 42 Festnahmen und erheblicher Sachschaden.

Wie sich die Situation in diesem Jahr entwickelt, ist noch nicht abzusehen. Klar ist aber, daß sich eine Reihe von Faktoren entscheidend auf die Dynamik nach dem Fest auswirken werden.

Während in den Anfangsjahren die Krawallmacher überwiegend aus dem linksextremistischen Spektrum kamen, war in den vergangenen Jahren vermehrt zu beobachten, daß auch völlig unpolitische Jugendliche bewußt die Auseinandersetzung mit der Polizei suchten um ihren Frust zu entladen oder den bewußten Nervenkitzel zu suchen. Diese Entwicklung macht den zuständigen Behörden zunehmend Sorge.

Im Vorfeld des anstehenden Schanzenfestes wird bei der Bewertung der Lage durch die zuständige Hamburger Innenbehörde sicherlich auch die Situation in England eine Rolle spielen. Das Ausmaß der Krawalle in englischen Städten ist bisher in Deutschland unbekannt. Während es in Hamburg und anderen Großstädten anläßlich bestimmbarer Termine zu regional eng begrenzten Ausschreitungen kommt, entlud sich die Aggression in England völlig unkontrolliert. Unklar ist, ob ein solches Szenario auch in Deutschland denkbar ist (siehe Seite 7).Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dies für sehr unwahrscheinlich hält, warnt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, davor, die Gefahr in Deutschland zu unterschätzen. Auch hierzulande könne es in einem Klima von Verachtung gegenüber dem Staat und sozialer Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsschichten schnell zu derartigen Brennpunkten kommen, die dann schwer unter Kontrolle zu bringen seien. Der Hamburger Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sieht zwar auch die sozialen Brennpunkte, geht aber davon aus, daß eine linksautonome Szene Hamburg nicht in Schutt und Asche legen könne.

Für weiteres Konfliktpotential sorgt die derzeitige Debatte um die „Rote Flora“. Das alte leerstehende Theater, das direkt im Schanzenviertel liegt, wurde 1989 zunächst besetzt und dient seither als linksextremistisches „Kultur-Zentrum“. Im Jahr 2001 verkaufte die Stadt Hamburg Haus und Grundstück an einen Hamburger Investor. Auch der neue Eigentümer stellte das Gebäude den Extremisten zur Verfügung, beabsichtigt nun allerdings, das Grundstück zu verkaufen.

Termin nicht zufällig ausgewählt

Diese Pläne stießen bei den Besetzern auf wenig Gegenliebe. Auch der Hamburger Senat will verhindern, daß das Grundstück in bester Lage zu einem Spekulationsobjekt wird und möchte das Gebäude unter Denkmalschutz stellen und es dauerhaft als Kulturzentrum erhalten, um es so unattraktiv für potentielle Käufer zu machen.

Der Termin des Schanzenfestes dürfte von den Veranstaltern in diesem Jahr nicht zufällig gewählt worden sein. Am Tag nach dem Fest findet in Hamburg das Radrennen „Vattenfall-Cyclassics“ statt. Auch für diese Veranstaltung wird eine große Anzahl von Polizeibeamten benötigt. Zudem polarisiert der Energiekonzern Vattenfall, der als Sponsor auftritt. Während der Debatte um die Kernenergie war der Konzern immer wieder von Atomkraftgegnern scharf angegangen worden.

In der Vergangenheit gab es immer wieder vergebliche Vorstöße aus der Politik, das Schanzenfest aufzulösen. Dies wohl auch, weil das Fest als solches weitestgehend friedlich abläuft. Unabhängig davon, was am Abend des 20. August genau passieren wird, für den Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, ist schon jetzt klar: „Es wird ein Großkampftag für die Polizei.“

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