© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/11 / 19. August 2011

Grüße aus Madrid
Ansturm der Pilger
Michael Ludwig

Wer in den letzten Tagen durch die Straßen des sommerlichen Madrids schlenderte, begegnete Schritt auf Tritt einem freundlich lächelnden älteren Herrn, von dem es hieß, er sei noch gar nicht angekommen, aber dennoch omnipräsent. Die Rede ist von Papst Benedikt XVI. Anlaß für die viertägige Visite des Oberhaupts der katholischen Kirche sind die Weltjugendtage, die einen wahren Ansturm von Pilgern auslösten.

Bis zu 500.000 Gläubige aus 137 Ländern werden erwartet, hinzu kommen mindestens noch einmal so viele Touristen, die Madrid auch ohne religiösen Anlaß einen Besuch abstatten. Bei der Stadtverwaltung liegen schon seit Wochen die Nerven blank. Bekommen auch alle Fremden eine Unterkunft? Wird der öffentliche Nahverkehr zusammenbrechen? Wenn nicht, was geschieht, wenn die Angestellten der Metro in den angedrohten Ausstand treten, um ihren Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen? Wie werden sich die organisierten Anti-Klerikalen verhalten, die in der Innenstadt eine Demonstration gegen den Papst angekündigt haben, die aber aus Sicherheitsgründen verboten wurde? Und was ist von den „Indignados“ zu erwarten, den spanischen „Wutbürgern“, die am liebsten das ganze System hinwegfegen würden, die Kirche sowieso.

„Blätterteig, gefüllt mit gelb-weißer Creme und den zwei Schlüsseln des Vatikanstaats.“

Madrids Geschäftsleute lassen solche Überlegungen kalt. Sie versuchen im August, einem normalerweise toten Monat, „Kasse zu machen“. An den Verkaufsständen auf dem Paseo del Prado ist neben den üblichen Souvenirs nun auch die päpstliche Fahne zu erwerben, das Stück zu zehn Euro. In den Geschäften an der Puerta del Sol und an der Renommierstraße Gran Via wird Benedikt XVI. in allen erdenklichen Formen angeboten – darunter als Figur aus Ton, die man sich im Wohnzimmer aufstellen kann, und als kleine magnetische für den Kühlschrank.

Auch Gastronomen sind für den großen Ansturm gerüstet. Zahlreiche Restaurants bieten ein „Pilger-Menü“ an, das für sieben Euro und fünfzig Cent zu haben ist. Selbst das feudale Ritz hat sich dazu entschlossen, mitzumachen, und es dürfte wohl das erste Mal in der Geschichte dieser Hotelkette sein, daß man dort ein Menü für so wenig Geld bekommt. Im nahe gelegenen Alcorcón serviert man den Pilgern eine eigens entworfene Nachspeise: Blätterteig, gefüllt mit einer gelb-weißen Creme (die Farben des Vatikans), über der die Schlüssel aus dem Wappen des Vatikanstaats gezeichnet sind.

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