© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

„Stoppt das Euro-Desaster!“
Heuschreckenalarm: Der Investor Max Otte fordert eine grundlegende Reform der Finanzmärkte
Christian Schwiesselmann

Widerstand beginnt mit Wissen“, ist sich Max Otte sicher. Der Prophet der Finanzkrise 2008 („Der Crash kommt“) will mit seinem neuen Essay aufrütteln: Eine Oligarchie aus Investmentbanken, Hedgefonds, Schattenbanken, Ratingagenturen sei die „derzeit dominierende Weltmacht“. Mit Lobbyarbeit, Leihbeamten und Regierungsberatern habe sie die staatliche Finanzmarktregulierung aufgeweicht. Mächtige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Regulierungsbehörden würden ihr als Erfüllungsgehilfen zuarbeiten.

Anhand plastischer Beispiele zeigt der BWL-Professor von der Uni Graz, wie sich die Heuschrecken durch die Biotope unseres Wohlstandes fressen: Gehebelte Übernahmegesellschaften (als „Private Equity“ beschönigt) weiden gesunde Industriefirmen aus, indem sie diese mit Fremdkrediten aufkaufen und dann deren Kapitalstock plündern. Investmentbanken haben sich mit Basel II und Basel III eigene Bilanzierungsregeln geschaffen und definieren Begriffsschwämme wie „Kernkapital“ nach Gutdünken. In den 1990er Jahren ließen sich ausgerechnet die sozialdemokratischen Regierungen dazu hinreißen, die Kapitaleinkünfte geringer als die Arbeitseinkünfte zu besteuern. Mit der Folge, daß unproduktive Einkommen begünstigt und produktive Arbeit benachteiligt wurde.

Auch in der Eurokrise sind für Otte vor allem die Banken und Finanzdienstleister die eigentlichen Profiteure der Krise. Statt des notwendigen Schuldenerlasses, der alle privaten Gläubiger beteiligen würde, sprängen durch den Rettungsschirm Steuerzahler anderer Länder für griechische Bankeigentümer, Milliardäre und Oligarchen ein. Besonders pervers findet der Bestsellerautor, daß der sogenannte Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) das Modell jener Zweckgesellschaften aus der Bankenbranche kopiere, die Regulierungsarbitrage beitreiben und gesetzliche Regelungen (wie zum Beispiel die Nichtbeistandsklausel „No-Bailout“ im EU-Vertrag) umschiffen.

Otte will die Macht der Finanzoligarchie brechen: mit festen Eigenkapitalanforderungen, Größenbegrenzungen, einer Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking, einer Finanztransaktionssteuer und einer europäischen Ratingagentur. In seinem Weckruf, „Volkskapitalist“ zu werden, genossenschaftliche Banken zu unterstützen und solide Unternehmensaktien zu kaufen, schimmert eine „sozialistische“ Ader hindurch. Wer Oswald Spengler und Sahra Wagenknecht gleichermaßen schätzt, muß wohl so durchpulst sein.

Max Otte: Stoppt das Euro-Desaster! Ullstein Buchverlage, Berlin 2011, 48 Seiten, broschiert, 3,99 Euro

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