© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/11 / 26. August 2011

Die Wurzeln unseres Islamismus
Der heutige Islamismus in Deutschland hat seine Wurzeln bei den muslimischen Freiwilligen gegen Stalin
Wolfgang Kaufmann

Seit der umstrittenen Rede von Bundespräsident Wulff wird intensiver denn je darüber diskutiert, ob der Islam nun tatsächlich zu Deutschland gehöre oder nicht. Dahingegen herrscht Einigkeit, daß er hierzulande präsent sei. Das gleiche gilt für den Islamismus. Dieser Umstand wiederum führt zu der Frage hin, wie der letztere eigentlich nach Deutschland kam.

Angesichts der Einwanderung von mehreren Millionen muslimischer Türken liegt es nahe, hier Zusammenhänge zu vermuten. Tatsächlich aber war das ursprüngliche Einsickern des Islamismus keine Folgeerscheinung des Gastarbeiterphänomens. Dies geht aus zwei aktuellen Veröffentlichungen hervor, welche nahezu zeitgleich erschienen sind und auch vom Titel bzw. vom äußeren Erscheinungsbild her den Eindruck erwecken, daß es sich hier um eine konzertierte Aktion handelt. Aber manchmal führt wohl doch nur der Zufall Regie.

Jedenfalls beschreiben die beiden Werke ein und dieselbe Entwicklung. Dabei konzentriert sich Stefan Meining, Redakteur des ARD-Politmagazins Report München, allerdings stärker auf die Verantwortung der deutschen Behörden, während der Pulitzer-Preisträger Johnson den Fokus vor allem auf die US-Geheimdienste richtet. Dadurch entsteht ein aufschlußreiches Gesamtbild, welches nicht zuletzt auch zeigt, daß Islamophilie viele Gesichter haben kann. Niemand anders als die nationalsozialistische Führung nämlich hat damit begonnen, gezielt hochrangige Vertreter des politischen Islam nach Deutschland zu holen, allen voran Haj Muhammad Amin al-Husseini, Großmufti von Jerusalem, also religiöses Oberhaupt der islamischen Gemeinschaft in Palästina. Der Grund hierfür war die wilde Entschlossenheit Hitlers, seines Ostministers Alfred Rosenberg, aber auch der Spitzen von Wehrmacht und Waffen-SS, den Islam als Geheimwaffe gegen die Sowjetunion einzusetzen. Deshalb wurden bis 1945 mehrere hunderttausend Muslime aus dem Kaukasus und Mittelasien in Freiwilligenverbänden wie der „Muselmanischen SS-Division Neu-Turkestan“ zusammengefaßt. Und diese Truppen brauchten natürlich politische wie religiöse Betreuung.

Die meisten der Legionäre, welche das Glück hatten, nach der deutschen Niederlage einer Zwangsrepatriierung und damit der Erschießung zu entgehen, blieben im Großraum München hängen, darunter auch ehemalige SS- und Wehrmachts-Imame. Etwa 300 der Gestrandeten gründeten am 1. März 1953 die „Religiöse Gemeinschaft Islam“. Und damit begann das Spiel nun von neuem, denn die Bundesregierung verfolgte ebenfalls das Ziel, die muslimischen Emigranten vor ihren Karren zu spannen. Federführend war dabei das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

Das stand zu diesem Zeitpunkt unter der Leitung von Theodor Oberländer (damals noch in der Partei Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten), vormals Kommandeur des Wehrmacht-Sonderverbandes „Bergmann“, in dem zahlreiche islamische Freiwillige aus dem Kaukasusraum gedient hatten. Oberländers Absicht war es, die „Religiöse Gemeinschaft Islam“ zu nutzen, um die Sowjetunion mittels einer Aufwiegelung nichtrussischer Völker zu Fall zu bringen, was dann die Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 erlaubt hätte. Deshalb wurde der Verein auch mit Bundesmitteln unterstützt.

Politischer Islam als Waffe im Kalten Krieg

Zeitgleich bemühten sich die CIA und ihr Anhängsel AMCOMLIB (American Committee for Liberation from Bolshevism) um die muslimischen Exilanten in Bayern. Und da die Amerikaner deutlich besser zahlten als die Deutschen, ließen sich die Mitglieder der Münchner Gemeinschaft gleichermaßen in die psychologische Kriegführung der USA einbinden, indem sie über „Radio Liberty“ gegen die Nationalitäten- und Islampolitik Moskaus anwetterten. So mutierte der politische Islam jetzt also zu einer Waffe im Kalten Krieg – er sollte mithelfen, dem atheistischen Kommunismus den Garaus zu machen und die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges zu revidieren.

Dabei traten die Ex-Legionäre in BRD- bzw. US-Diensten aber keineswegs als islamische Fundamentalisten auf: Sie tranken gern und oft Alkohol, ihre Frauen und Töchter durften jedwede Bekleidungsordnung ignorieren und mit den sonstigen religiösen Vorschriften nahm man es auch nicht sehr genau. Kurioserweise sollte aber genau dieser Umstand letztlich zur entscheidenden Wende führen. Am Anfang derselben stand die erste deutsche Islam-Konferenz, abgehalten am 26. Dezember 1958 im Gemeindesaal der Katholischen Pfarrgemeinde St. Paul in München.

Während dieser Veranstaltung stießen erstmals strenggläubige Studenten aus arabischen Ländern auf die Emigranten aus der Sowjetunion. Doch noch einte beide Gruppen das Ziel, eine zentrale Gebetsstätte in München zu errichten, wozu sie Anfang März 1960 eine „Moscheebau-Kommission“ aus der Taufe hoben. Leiter derselben wurde diesmal jedoch keiner der Turkestaner oder Kaukasier, sondern der Ägypter Said Ramadan, ein prominenter Muslimbruder, der außerdem noch als Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses fungierte. Hauptgrund für die Wahl Ramadans war die Hoffnung, er werde in der arabischen Welt Spenden für das Projekt einwerben. Und das tat der Fundamentalist dann auch; zugleich freilich begann er die ehemaligen Legionäre wegen ihres Lebenswandels zu attackieren und kaltzustellen.

Am Ende dieser Entwicklung, im März 1962, übernahmen die arabischen Verfechter eines traditionell-rigiden Islamverständnisses die Kontrolle über die Kommission, welche wenig später in „Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland“ umbenannt wurde (ab dem 4. Dezember 1982 lautete die Bezeichnung schlußendlich „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“). Seitdem fungierte die Münchner Organisation als Schaltzentrale des kontinuierlich wuchernden islamistischen Netzwerkes in der Bundesrepublik, ohne daß dies den deutschen Behörden auffiel.

Die erwachten erst nach dem 11. September 2001, als der mittlerweile dritte Präsident der Gemeinschaft, der Syrer Ghaleb Himmat, unter dringenden Terrorismusverdacht geriet: nach Erkenntnissen des Financial Crimes Enforcement Network im US-Finanzministerium hatte er sich als Geldbeschaffer für al-Qaida betätigt.

Stefan Meining: Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen. Verlag C. H. Beck, München 2011, gebunden, 316 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

Ian Johnson: Die vierte Moschee. Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus.Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2011, gebunden, 360 Seiten, 22,95 Euro

Fotos: Amin al-Husseini, Großmufti von Jerusalem, 1943 bei bosnischen Freiwilligen der SS-Division Handschar, Islamist Reda Seyam: Vorhandene Strukturen wurden seit den sechziger Jahren kontinuierlich unterwandert

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