© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

„Der Kampf um Berlin“
Berlin ist die finale Wahl im Superwahljahr 2011 und die letzte Chance für eine Alternative. Mit Pro Deutschland und Die Freiheit treten zwei Parteien an, die um die Gunst konservativer Wähler werben.
Moritz Schwarz

Herr Rouhs, Sie treten mit Pro Deutschland gegen die Partei des CDU-Dissidenten René Stadtkewitz an. Muß das sein?

Rouhs: Wir treten nicht gegen Die Freiheit an, vielmehr haben wir unsere Kandidatur zur Berliner Abgeordnetenhauswahl schon seit 2007 vorbereitet. Die Gründung der Partei des Herrn Stadtkewitz erfolgte dann aber genau in dem Moment, in dem Versuche, den Start unserer Arbeit durch das Provozieren von internen Querelen zu torpedieren, gescheitert waren. Offenbar bestand nun Bedarf, unser Projekt durch Zersplitterung von außen auszubremsen.

Mit Verlaub, das klingt nach einer Verschwörungstheorie.

Rouhs: Herr Stadtkewitz war in der Berliner CDU jahrelang für die Anbindung rechter Wähler zuständig – sprich, er hatte dafür zu sorgen, daß eine authentische Opposition nicht aufkommt. Nun verfolgt er dieses alte Ziel mit einem neuen politischen Mittel. Ich sehe Die Freiheit als reines Operettenunternehmen, das sich im wesentlichen in Scheinaktivitäten übt und insbesondere auf der internationalen Bühne eine Bedeutung und Parteistrukturdichte vortäuscht, die in Wahrheit gar nicht besteht.

Haben Sie denn Beweise?

Rouhs: Wenn man einen Wahlkampf gewinnen will, reicht es nicht, nur Plakate zu kleben, sondern man muß auch die Kärrnerarbeit auf sich nehmen, eine so große Anzahl an Bürgerkontakten herzustellen, damit man eine Chance hat, über fünf Prozent der Stimmen zu kommen. Da sehe ich bei Die Freiheit nicht die nötigen Bemühungen, ihr Wahlkampf ist fast gänzlich auf einen Auftritt des holländischen Islamkritikers Geert Wilders in Berlin ausgerichtet. Aber selbst der findet im „Hinterzimmer“ statt, und mit Eintrittspreisen von dreißig bis hundert Euro wird er die Berliner Wahlberechtigten ganz eindeutig nicht erreichen.

Immerhin hatten bei Stadtkewitz’ erster Wilders-Einladung 2010 alle großen Medien, bis hin zur Tagesschau, berichtet.

Rouhs: Das stimmt, aber das Kalkül wird diesmal nicht aufgehen. Damals stand Wilders Partei, die PVV, unmittelbar vor der Regierungsbeteiligung in Holland, Wilders war schon deshalb seinerzeit in allen Medien. Dieser Hintergrund ist diesmal nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einmalige Medienberichterstattung bei weitem nicht aus, um einen seriösen Wahlkampf zu führen. Wir hatten unlängst den Erfolg, daß die größte Berliner Boulevardzeitung B.Z. sich auf der Titelseite groß mit einem unserer Wahlplakate beschäftigt hat. Und doch ist so etwas nur ein Aufflackern und reicht nicht, um auch nur über ein Prozent zu kommen.

Die Pro-Bewegung setzt mit ihren bundesweit bekanntgewordenen „Anti-Islamisierungskongressen“ (JF berichtete mehrfach) doch auf die gleiche Karte!

Rouhs: Ja, aber nicht nur. Sie sind nur ein Element unter vielen unserer politischen Öffentlichkeitsarbeit. Zudem finden sie auf öffentlichem Straßenland statt und sind ohne Eintritt zugänglich.

Ursprünglich hatten Sie eine Kooperation mit Stadtkewitz angestrebt. Warum ist daraus nichts geworden?

Rouhs: Bis zu seinem Ausschluß aus der CDU-Fraktion stand ich mit ihm in E-Mail-Kontakt. Ich ging davon aus, daß dem nun ein persönliches Treffen folgen würde. Statt dessen hat Stadtkewitz aber gemauert. Er hat nicht einmal Bedingungen für ein Gespräch gestellt, nichts.

Stadtkewitz wirft Ihnen vor, der islamisierungskritischen Sache durch Ihre Kooperation etwa mit Vertretern des französischen Front National geschadet zu haben. Vor allem aber duldeten Sie ehemalige NPD-Mitglieder in Ihren Reihen.

Rouhs: Herr Stadtkewitz läßt ganz offensichtlich gewisse Veränderungsprozesse im Front National außen vor. Zuletzt war die Berichterstattung über die neue Vorsitzende des FN, Marine Le Pen, der Tochter des alten Le Pen, auch in den etablierten Medien doch überraschend differenziert. Zweifellos versucht sie, in sehr sachlicher und dezidiert demokratischer Form Politik zu machen. Nun zum Thema ehemalige NPD-Mitglieder. Erstens: Politik muß man mit den Menschen machen, die da sind. Und wenn einer seinen Irrtum einsieht und der NPD den Rücken kehrt, warum sollen wir ihn dann zurückschicken? Zweitens: In der Bürgerbewegung Pro Deutschland spielen ehemalige NPD-Mitglieder keine nennenswerte Rolle, wir haben vor allem Mitglieder, die aus anderen Parteien kommen, oder solche, die bisher parteilos waren.

Laut Umfragen liegen die demokratischen Rechtsparteien in Berlin zusammen bei etwa nur einem Prozent. Viel wirksamer ist Ihr Wahlkampf doch also auch nicht?

Rouhs: Moment, lassen Sie uns die Situation analytisch angehen: Das Potential für eine konservative Partei liegt bei zwanzig Prozent der Wähler. Dieses ist aber weder jetzt noch auf absehbare Zukunft zu erschließen, weil dazu mediale Rahmenbedingungen notwendig sind, wie wir sie vielleicht in Österreich, aber nicht in der Bundesrepublik Deutschland haben. Was aber möglich ist – wenn man handwerklich solide vorgeht –, ist über den Einsatz von Direktwerbemitteln eine entsprechend große Zahl von Wählern abzuholen. Konkret sind das in Berlin – zugrunde gelegt ist die Wahlbeteiligung von 2006 – 70.000 Wählerstimmen, um den Einzug zu schaffen.

Wie kommen Sie darauf, daß es Ihnen gelingt, so viele Wähler zu mobilisieren?

Rouhs: Wir haben zu Beginn 1,2 Millionen Berliner Haushalte mit unserer Postkarte gegen eine EU-Aufnahme der Türkei beliefert und etwa 10.000 Rückläufer bekommen. In diesen 10.000 Unterstützer-Haushalten leben etwa 15.000 Wahlberechtigte. Wir rechnen, daß diese noch weitere 5.000 Freunde oder Verwandte mitziehen, so daß wir bis jetzt von einer Basis von 20.000 Stimmen ausgehen. Zweifellos haben wir die schwierigste Zielgruppe überhaupt, nämlich die schweigende Mehrheit: Otto Normalverbraucher. Um diesen zu mobilisieren, ist es unabdingbar, daß er mehrfach einen Impuls bekommt, also wiederholt von uns erreicht wird: Er muß auf den Straßen unsere Plakate sehen, er muß von Freunden hören, daß diese auch in den anderen Stadtteilen hängen, am besten nimmt er uns auch ein- oder zweimal in den Medien wahr. Und er muß per Post oder Infostand eine Wahlinformation bekommen, die ihn darüber aufklärt, wer wir sind und was wir wollen. Nach unserer Kalkulation wird unser Wahlkampfeinsatz zur Abgabe von 90.000 bis 100.000 Stimmen für uns führen.

Ihre Rechnung mag marketingtechnisch korrekt sein – die Erfahrung zeigt allerdings, daß sie dennoch nicht aufgeht.

Rouhs: Es sind genau dieselben Methoden, mit denen wir 2004 und 2009 in Köln über fünf Prozent gekommen sind. Warum sollte, was bei einer Million Kölnern funktioniert hat, bei 3,5 Millionen Berlinern nicht funktionieren?

In Köln gab es ein umstrittenes Moscheebauprojekt, das Ihnen unfreiwillig als Wahlkampfmaschine gedient hat.

Rouhs: Das stimmt, aber dafür hatten wir es in Köln ausschließlich mit westdeutschen Wählern zu tun, während es in Berlin auch viele ostdeutsche Wähler gibt, bei denen wir erfahrungsgemäß eine weit bessere Resonanz finden.

Was, wenn am 18. September dennoch alles völlig schiefgeht?

Rouhs: Davon gehe ich nicht aus, aber wenn es denn so wäre und wir lägen zwischen vier und einem Prozent, müßte man die Details analysieren. Blieben wir unter einem Prozent müßten wir unser Konzept allerdings als gescheitert betrachten und über eine Neuorganisation der Bürgerbewegung Pro Deutschland nachdenken. Aber das wird nicht passieren. So wie ich die Stimmung in der Stadt jetzt im Wahlkampf erlebe, gewinnen wir unseren Kampf um Berlin!

 

Manfred Rouhs ist Bundesvorsitzender der Bürgerbewegung Pro Deutschland und deren Spitzenkandidat in Berlin. Der studierte Sozialwissenschaftler und ehemalige Kölner Stadtrat, Jahrgang 1965, war zuvor Mitgründer der Wahlinitiative Pro Köln, die 2009 in der Domstadt 5,3 Prozent erzielte.

www.pro-deutschland-online.de

 

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