© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Zweikampf um Protestwähler
Berlin: Trotz Umfragewerten deutlich unter fünf Prozent liefern sich Pro Deutschland und Die Freiheit ein erbittertes Duell
Hans-Jürgen Hofrath

Die Aussage auf dem Transparent ist unmißverständlich: „Wozu Schlachtviehhaltung, solange es noch Nazis gibt“. Dazu grölen etwa 200 aufmarschierte Linksextremisten, die sich am vergangenen Wochenende vor dem Brandenburger Tor versammelt haben, „Allahu Akbar, keinen Deutschen als Nachbar“ oder „Kein Pro Deutschland, keine NPD, in jeder Straße eine Moschee“. Auf der anderen Seite der Absperrung steht der Berliner Landesvorsitzende der Bürgerbewegung Pro Deutschland, Lars Seidensticker, und ruft: „Wer in Deutschland in Parallelgesellschaften lebt und uns auf den Geist geht, soll hingehen, wo der Pfeffer wächst.“ Auch im letzten „Muselmanenkaff“ müsse endlich deutlich werden, daß sie in Deutschland nicht erwünscht seien. Der Applaus der etwa 150 Pro-Anhänger ist kräftig. Seidensticker hat offenbar den richtigen Ton getroffen. Zweifel am Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde am 18. September äußert niemand. Alle geben sich zuversichtlich. Das islamkritische Wahlpotential liege schließlich bei 20 Prozent, sagt Pro-Deutschland-Chef Manfred Rouhs. Doch während SPD, Grüne, CDU und Linkspartei um die Macht in der Hauptstadt kämpfen, ringt Pro Deutschland vor allem um Aufmerksamkeit.

Besonders die von Thilo Sarrazin gerichtlich erzwungene Zensur der Wahlplakate, auf denen ursprünglich „Wählen gehen für Thilos Thesen“ gestanden hatte, habe der Bürgerbewegung jedoch geholfen, die „Wahrnehmungsgrenze“ deutlich zu überschreiten, glaubt Rouhs. Ausdrücklich bedankt er sich beim Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), der Ende Juni eine Versammlung von Pro Deutschland im Rathaus mit einer Gruppe gewaltbereiter Linksextremisten verhindert hatte (JF 27/11). Hätte er es wie Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky gemacht, der die Bürgerbewegung anstandslos in seinem Rathaus tagen ließ, hätte wohl niemand in Berlin davon etwas mitbekommen. Mit dem am Brandenburger Tor endenden „Anti-Islamisierungskongreß“, der weniger ein „Kongreß“ als vielmehr eine einfache Demonstration war, sollte nun der Höhepunkt des Wahlkampfes stattfinden. Ein Großteil der vorher angekündigten „internationalen“ Gäste blieb der Veranstaltung jedoch fern. Sowohl Susanne Winter von der FPÖ als auch Filip Dewinter vom flämischen Vlaams Belang waren lediglich durch Grußworte vertreten. Zudem waren ein nicht geringer Teil der Demonstranten Anhänger von Pro NRW und eigens aus Nordrhein-Westfalen angereist. Dem Medieninteresse tat das keinen Abbruch. Selbst der arabische Fernsehsender Al-Dschasira war auf der Pressekonferenz am Samstag vertreten.

Doch nicht nur Pro Deutschland will am 18. September ins Abgeordnetenhaus einziehen. Auch die vom ehemaligen CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz gegründete Partei Die Freiheit hat die Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde als Wahlziel ausgegeben. Obwohl beide Parteien beteuern, völlig unterschiedliche Wähler anzusprechen, gehen sie doch hart miteinander ins Gericht. Während Die Freiheit nicht müde wird, auf den vermeintlich rechtsextremen Hintergrund von Pro Deutschland hinzuweisen und deren frühere Parteimitglieder ausdrücklich von einer Parteimitgliedschaft ausschließt, streuen Sympathisanten der Pro-Bewegungen seit Monaten Gerüchte über Stadtkewitz, der angeblich vor einer Rückkehr in die CDU stünde. Zusammen liegen beide Parteien in den Umfragen bei einem Prozent.

Ähnlich wie Pro setzt Die Freiheit vor allem auf ein medienwirksames Einzelereignis. Um den nötigen Schub zu erhalten, um ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, hat sie den niederländischen Islamkritiker Geert Wilders nach Berlin eingeladen, der am Sonnabend an einem noch geheimgehaltenen Ort über die Islamisierung sprechen soll. Die Eintrittskarten kosten zwischen 30 und 100 Euro und sind nach Angaben der Partei fast alle verkauft. Mehr als 1.000 Gäste werden erwartet. Der auf der Internetseite der Freiheit angebotene Kartenvorverkauf zeigte allerdings am Dienstag an, daß ein bedeutender Teil der Sitzplätze noch nicht verkauft wurde. Etwa die Hälfte der Karten sind offenbar noch zu haben. Dennoch dürfte die gewünschte öffentliche Wahrnehmung garantiert sein.

Denn seit Wochen bereits mobilisiert die extrem linke Szene um Dirk Stegemann von der vom Verfassungsschutz beobachteten „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ gegen den Wilders-Auftritt. Ob er damit Erfolg hat, erscheint unwahrscheinlich. Den harten Kern der linksextremen Szene konnte Stegemann bisher trotz intensiver Bemühungen nicht erreichen. Zu der groß angekündigten Blockade der Pressekonferenz von Manfred Rouhs’ Pro-Bewegung kamen 13 Gegendemonstranten. Wenn sie nach eigenen Angaben schon nicht die gleichen Wähler ansprechen, können sich Pro Deutschland und Die Freiheit zumindest sicher sein, dieselben Gegner zu haben.

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