© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/11 / 02. September 2011

Ein bayrischer Bismarck
Vor 200 Jahren wurde Ludwig von der Pfordten geboren / Gescheiterter Visionär der „großdeutschen Lösung“
Wolfhard H. A. Schmid

Ludwig von der Pfordten wurde am 11. September 1811 als ältester von sechs Söhnen eines Landrichters im damals zum Königreich Baiern gehörenden Innviertel geboren, das Napoleon in den Pariser Verträgen von 1810 dem Bündnispartner Baiern (wie Bayern damals historisch gezeichnet wurde) wieder zurückgegeben hatte, ehe es 1819 beim Wiener Kongreß endgültig der Habsburger Monarchie zugeteilt wurde. Der Vater wurde daraufhin nach Oberfranken versetzt, wo der Bub unweit von Bamberg aufwuchs. Vom freisinnigen protestantischen Dekan Ernst Anton Clarus erzogen, sollte ihn dies für sein späteres Leben prägen. Nach Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Heidelberg sowie erfolgter Habilitation lehrte er ab 1833 Römisches Recht an der Universität Würzburg. 1843 folgte er einem Ruf nach Leipzig, wo er zwei Jahre später Rektor wurde und sich als Kopf der sächsischen Liberalen politisch betätigte.

Wegen veröffentlichter Reformvorschläge wurde er im März 1848 vom sächsischen König Friedrich August II. zum Innenminister ernannt und anschließend in der liberalen Regierung Karl Brauns zum Außenminister. Nach dessen Rücktritt übernahm Martin Oberländer den Innen- und Außenbereich, von der Pfordten erhielt das Ministerium für „Cultus und Unterricht“. In dieser Zeit voller Unruhen versuchte er durch diplomatisches Geschick trotz heftigster Angriffe aus den Reihen der zweiten sächsischen Kammer den föderativen Gedanken der damaligen deutschen Mittelstaaten gegenüber zentralistischen Bestrebungen durchzusetzen. Dieses klare Eintreten beeindruckte den bayerischen König Maximilian II. Nach vertraulichen Gesprächen in München und nach Rücktritt Pfordtens aus der sächsischen Regierung wurde er von Maximilian II. zum Minister des Äußeren und des Handels ernannt.

Schon bald mußte er allerdings spüren, daß er als Protestant und Nationalliberaler in den ultramontanen Kreisen des Münchner Hofes wenig beliebt war. Man ließ ihn jedoch gewähren, weil man in ihm die geeignete Persönlichkeit sah, die sich gegen Preußen stellen konnte. Pfordtens Liebe zu seiner bayerischen Heimat und der Wunsch, seinem Lande zu einer stärkeren Position im Spiel der Mächte zu verhelfen, war offenkundig. Er war der Meinung, daß das größte Problem auf dem Wege zu einer deutschen Einheit in der mangelnden gleichwertigen Machtverteilung der einzelnen Volksstämme bestand.

Deshalb sah er die Zukunft Deutschlands in einem Bundesstaat, in dem die Souveränität jedes einzelnen Staates beschränkt und das Übergewicht eines Staates zu bekämpfen sei. Aus diesen Überlegungen entwickelte er den Triasgedanken, der darauf beruhte, die süddeutschen Mittelmächte, wie die Königreiche Baiern und Württemberg sowie das Großherzogtum Baden gegenüber den europäischen Großmächten Preußen und Österreich mit mehr Macht auszustatten. Diese Triasstrategie sollte fortan Leitgedanke seines politischen Handelns sein. In der Folge verlieh ihm Maximilian II. im November 1849 das Großkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone und 1853 den erb-lichen Freiherrnstand.

Nachdem der Triasgedanke nicht im Vierkönigsentwurf des Deutschen Bundes aufgenommen wurde, unterstützte von der Pfordten Österreich beim Bestreben, die deutsche Frage nicht Preußen allein zu überlassen. Wegen wiederholter Streitigkeiten in der zweiten Abgeordnetenkammer und da er keinen Fortschritt in der deutschen Frage zu erkennen glaubte, trat er im März 1859 von seinem Amt zurück. Als Gesandter des Bundestages nahm er zwischen 1861 und 1868 an den Konferenzen von Bayern, Württemberg und Sachsen gegenüber Preußen teil und wurde 1864 vom jungen König Ludwig II. wieder an die Spitze des Ministeriums gestellt.

Die Salzburger Unterredung mit Bismarck vom Juli 1865 über die Neutralität der deutschen Mittelstaaten bei einem bevorstehenden Krieg Preußens mit Österreich faßte er als Auftrag für seine Vermittlung auf, was sich als Täuschung erwies und seine Wankelmütigkeit in der militärischen Aufrüstung Bayerns erklärte. Trotz seiner Einstellung zur Triasstrategie erklärte er noch im März 1866, daß Bayern wegen seiner Bundespflichten bei einem Krieg gegen Preußen auf seiten Österreichs stehen würde. Nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen 1866 bei Königsgrätz trat von der Pfordten abermals zurück, war danach noch kurz österreichisch-ungarischer Außenminister, bevor er endgültig die politische Bühne verließ. Erst danach versuchte die Neue Wiener Presse den immer lauter werdenden Vorwurf mangelnder Festigkeit in der deutschen Frage und seinen Abfall vom Liberalismus in einem Appell zu mehr Gerechtigkeit gegenüber seiner politischen Arbeit zu widerlegen.

Ludwig von der Pfordten war mit Adelgunde Marx, einer Leipziger Bankierstochter verheiratet. Mit ihr hatte er drei Söhne und eine Tochter, die 1873 im Alter von vier Jahren in der Schweiz tödlich verunglückte. Ihren Tod hat er nie überwunden. Er starb vereinsamt am 18. August 1880 in München. Sein Grab befindet sich dort auf dem historischen Südfriedhof. Noch heute ist das im Stil des Historismus erbaute Schloß Seeseiten am Starnberger See, das Ludwig II. 1865 für ihn durch seinen Baumeister Dollmann errichten ließ, ein stiller Zeuge seiner politischenTätigkeit. Heute ist es im Besitz des Unternehmers August von Finck.

Foto: Ludwig Freiherr von der Pfordten um 1855: Das größte Problem auf dem Wege zu einer deutschen Einheit hat er in der mangelnden gleichwertigen Machtverteilung der einzelnen Volksstämme gesehen

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