© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/11 / 09. September 2011

„Hört auf, euch zu schämen“
Berlin I: Der Islamkritiker Geert Wilders macht Wahlkampf für René Stadtkewitz
Henning Hoffgard

Hunderte Polizisten, Dutzende private Sicherheitskräfte, zahlreiche Ordner und Metalldetektoren. Im Maritim-Hotel unweit des Potsdamer Platzes in Berlin herrschen am vergangenen Samstag Sicherheitsvorkehrungen wie auf einem Flughafen. Weder Lebensmittel noch Getränke sind erlaubt. Jede Wasserflasche ein potentieller Sprengsatz, jeder Apfel ein mögliches Wurfgeschoß.

Der Grund für die massiven Sicherheitsmaßnahmen: Der niederländische Islamkritiker Geert Wilders ist in der Stadt und will auf Einladung der Partei Die Freiheit des ehemaligen Berliner CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz zur Islamisierung und inneren Sicherheit in Deutschland und Europa sprechen. Seit Jahren erhält der Politiker, der mit seiner Partij voor de Vrijheid die Regierung in Den Haag toleriert, Morddrohungen von radikalen Muslimen. Auch deswegen werden die Gäste erst wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn über den genauen Ort informiert. Etwa 600 Zuhörer, davon 100 Journalisten, finden schließlich ihren Weg in den klassisch eingerichteten Festsaal des Hotels. Die Erwartungen an die Rede sind hoch. Die Freiheit will vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September ein Ausrufezeichen setzen und den bisher eher unscheinbaren Wahlkampf anheizen.

Viele Zuhörer erwarten dementsprechend nicht weniger als eine historische Rede, eine Wendemarke der Geschichte und sind dafür auch aus dem Ausland angereist. Zwei ältere russische Damen erkundigen sich neugierig, ob es auch in Deutschland eine starke islamkritische Kraft gibt. Stadtkewitz kennen sie nicht, sie sind nur wegen ihrem „Geert“ gekommen. Genauso wie die etwa 60 Gegendemonstranten unter der Führung des Sprechers des linksextremen „Bündnis Rechtspopulismus stoppen“, Dirk Stegemann, der sichtlich unzufrieden über den ihm zugewiesenen Kundgebungsort ist. Doch auch die Drohung, Berlin und die Polizei zu verklagen, hilft nichts. Wütend begibt er sich auf den ihm zugewiesenen Platz, den Mittelstreifen einer dicht befahrenen Straße außerhalb der Hörweite zum Hotel.

Währenddessen betritt Wilders mit einstündiger Verspätung den Saal. Kaum einen Zuhörer hält es noch auf seinem Stuhl. Sie feiern ihn wie einen Popstar und unterbrechen seine auf deutsch gehaltene Rede immer wieder mit heftigem Applaus. Wer einen aufgeregten Polemiker erwartet hat, wird eines Besseren belehrt. Der Niederländer spricht ruhig, fast bedächtig.

Nicht einmal ein brüllender Linksextremist, der es irgendwie ins Gebäude geschafft hat, bringt ihn aus der Fassung. Nachdem der Störer schnell überwältigt und unter „Nazis raus“-Rufen aus dem Saal geführt wird, hält Wilders kurz inne und meint schließlich lächelnd, da habe ihm wohl jemand zu seinem Freispruch in dem gegen ihn in den Niederlanden geführten Prozeß wegen angeblicher Volksverhetzung gratulieren wollen. Stolz zählt er die Erfolge seiner Partei auf. Egal ob Burkaverbot, Verringerung der Einwanderung aus muslimischen Ländern oder die Streichung aller Steuergelder für „anti-israelische Aktivitäten“: Wilders weckt bei vielen Zuhörern die Hoffnung, derartiges sei auch in der Bundesrepublik möglich. „Hört auf damit, euch für Deutschland zu schämen“, ruft er und mahnt: „Wenn Deutschland krank ist, sind wir alle krank.“ Nur wenn die Deutschen stolz auf ihr Land seien, könnten sie es gegen die Islamisierung und die „Eurokraten“ verteidigen.

Eindringlich warnt er vor einem europäischen Superstaat, der die Nationalstaaten zerstöre. Mit ihm, sagt der Islamkritiker, werde es kein weiteres niederländisches Steuergeld für Griechenland oder andere hoch verschuldete Euro-Länder geben, egal ob die Regierung darüber stürzt oder nicht. Der Niederländer endet schließlich mit dem pathetischen Aufruf, die Freiheit in Europa müsse verteidigt werden. „Zusammen repräsentieren wir die Nationen Europas.“ Ähnliche Töne hatte zuvor schon Stadtkewitz angeschlagen und in seiner Rede angesichts der Euro-Politik der Kanzlerin von einer „Politik des Volksverrats“ gesprochen.

Wilders Auftritt in Deutschland hat dabei deutlich gemacht, daß der Niederländer längst über nationale Grenzen hinaus denkt. Bis vor wenigen Jahren hatte er noch jede Zusammenarbeit mit anderen großen Rechtsparteien abgelehnt. Jetzt kooperiert er mit den Schwedendemokraten, deren Vorsitzender Jimmie Åkesson ebenfalls auf der Veranstaltung redet, und auch mit der FPÖ soll es bereits informelle Gespräche über eine verstärkte Zusammenarbeit geben. Ob Stadtkewitz in absehbarer Zeit ähnliche Erfolge verbuchen kann wie Wilders in den Niederlanden, ist allerdings zweifelhaft. Zwar ist das Medienecho auf die Wilders-Rede enorm, dennoch bleiben die Umfragewerte weit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Zudem ist es fraglich, ob Islamkritik, mit der Die Freiheit öffentliche Aufmerksamkeit erregt, wirklich ein wahlentscheidendes Kriterium für die Berliner ist. Auch nach der Rede von Geert Wilders sieht es eher nicht danach aus.

Foto: Geert Wilders (l.) und René Stadtkewitz: Gemeinsamer Kampf gegen die Islamisierung Europas

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