© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Künast hat ausgeträumt
Berlin II: Bei der Abgeordnetenhauswahl kann Klaus Wowereit mit seiner Wiederwahl rechnen
Lion Edler

Wenn am Sonntag die Berliner mehr oder weniger zahlreich in die Wahllokale strömen, dürfte der Traum der Grünen von einer grün-roten Koalition unter einer Bürgermeisterin Renate Künast ausgeträumt sein. Das war vor rund einem Jahr noch anders, als die Grünen auf bis zu 30 Prozent der Stimmen kamen und damit zur stärksten Kraft in Berlin avancierten.

Daß Künast nun einer Koalition mit der CDU eine Absage erteilte, wertete Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) denn auch gegenüber der Bild am Sonntag als „Eingeständnis ihrer Niederlage“. Künast habe sich damit „selbst aus dem Spiel genommen, sie wollte ja nur als Regierende Bürgermeisterin kommen“. Wowereit spielt damit darauf an, daß die grüne Fraktionschefin im Bundestag in die Bundespolitik zurück will, sollte sie nicht Bürgermeisterin werden. So erklärt sich wohl auch, daß Künast die einzige unter den Grünen ist, die im Wahlkampf noch scharfe Angriffe gegen die SPD fährt. Der Rest der Grünen scheint sich gezähmt auf eine rot-grüne Koalition unter Wowereits Führung einzustellen.

In einer grün-schwarzen Koalition könnten die Grünen dagegen die Bürgermeisterin stellen. Doch im Moment liegt die Union mit bis zu 23 Prozent wieder vor den Grünen. Vieles deutet deshalb kurz vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus auf einen halber Machtwechsel hin. Demnach wird Wowereit nach der Aufholjagd der vergangenen Wochen sein Amt wohl behalten; seine Partei kommt laut Umfragen auf 30 bis 32 Prozent der Stimmen. Das reicht zwar nicht für eine Fortsetzung der Koalition mit der Linkspartei, die bei 11 Prozent liegt, dafür aber mit den Grünen. Die Grünen liegen bei rund 20 Prozent.

Wowereit kann das alles gelassen sehen und die Grünen mit der Aussage disziplinieren, daß er eine Koalition mit der CDU „nicht ausschließen“ könne.

Bewegung herrscht indessen bei kleineren Parteien. Nachdem die FDP bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mit 2,7 Prozent der Stimmen aus dem Landtag flog, liegt sie in Berliner Umfragen ebenfalls unter der Fünf-Prozent-Hürde. Dagegen ist die Piratenpartei, die sich vor allem auf die Themen Internet, Bürgerrechte und Transparenz konzentriert, auf dem Weg in das Abgeordnetenhaus. Umfragen sehen die Partei nach einem rasanten Aufwärtstrend in den vergangenen Wochen nun zwischen fünf und 6,5 Prozent.

Überraschungen sind am Sonntag durchaus möglich, denn rund 44 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen. Dazu beigetragen haben dürften auch viele Wahlplakate, die häufig nur die Bilder der Spitzenkandidaten oder Sätze mit mäßiger Aussagekraft zeigten. „Gerade richtig“, verkünden Plakate der CDU, ohne daß man weiß, warum die CDU gerade jetzt richtig und was an ihr überhaupt richtig ist. Die Grünen versuchen es kumpelhaft: „Renate kämpft“, heißt es auf den Plakaten. Und die SPD kokettiert philosophisch mit dem Wahlkampf-Motto „Berlin verstehen“. Bei kleineren Parteien sind da schon eher inhaltliche Aussagen zu erkennen, auch wenn sie nicht immer etwas direkt mit Berlin zu tun haben. „Trennbankensystem statt Rettungspakete“, fordert etwa ein Plakat der obskuren Bürgerrechtsbewegung Solidarität – BüSo.

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