© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Volkes Stimme aus dem Internet
Euro-Rettungsschirm II: Auf Initiative des Vereins „Zivile Koalition“ bomberdieren zahlreiche Bürger die Bundestagsabgeordneten mit Tausenden E-Mails
Henning Hoffgaard

Mehr als 115.000 gleichlautende E-Mails gegen die Einrichtung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms (ESM) haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in den vergangenen drei Monaten von ihren Bürgern erhalten. Die Botschaft ist eindeutig: Die Parlamentarier sollen endlich Farbe bekennen. Fast 49 Prozent der 620 angeschriebenen Politiker hielten dies jedoch bisher nicht für nötig und reagierten überhaupt nicht. Und die Ansichten der Mandatsträger, die antworteten, dürften den Kritikern der Euro-Rettungsschirme wenig Anlaß zur Freude bieten. Lediglich neun Prozent der Bundestagsabgeordneten unterstützen die Forderung, den ESM und eine Schuldenunion zu verhindern. Der Rest ist unentschlossen oder ausdrücklich für den Rettung-schirm. Auf besonders wenig Gegenliebe stößt die Aktion dabei offensichtlich bei der SPD. Deren Fraktionsführung riet ihren Mitgliedern ausdrücklich, nicht auf die E-Mails zu reagieren.

Trotzdem zeigen sich die Initiatoren der Internet-Kampagne vom Verein „Zivile Koalition“ über den Erfolg und die mediale Resonanz der Initiative sehr erfreut. „Das Ergebnis ist beeindruckend und macht sicherlich Lust auf mehr“, sagte Vorstandsmitglied Beatrix von Storch der jungen freiheit. Ursprünglich habe sich der Verein für eine Grundlegende Reform der politischen Entscheidungsstrukturen und eine Abschaffung des willkürlichen und ungerechten Steuersystems eingesetzt. Die derzeit drohende Übernahme von Schulden anderer Euro-Mitgliedsstaaten habe derzeit jedoch absolute Priorität, betont die Rechtsanwältin. Das Prinzip der E-Post-Initiative ist simpel: Jeder Bürger kann über die Internetseite von abgeordneten-check.de dem oder den Abgeordneten seines Wahlkreises einen vorgefertigten Petitionstext zusenden, in dem der Parlamentarier aufgefordert wird, Stellung zu beziehen. Das ist die beste Methode, Druck auf die Abgeordneten auszuüben, ist sich Frau von Storch sicher. Zudem habe die Koalition den Menschen so die Möglichkeit gegeben, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.

Ob das am Ende reicht, um den Bundestag zu einem „Nein“ bei der ersten wichtigen Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm am 29. September zu bewegen, ist zweifelhaft. Dennoch sei es bereits ein Erfolg, wenn die Abgeordneten sich zumindest einmal den Gesetzestext anschauen würden, unterstreicht die 40jährige. Für einiges Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang ein von der Zivilen Koalition produzierter Film, der sich kritisch mit dem Vertragsentwurf der EU zum ESM auseinandersetzt und zu dem Schluß kommt, daß eine EU-Schuldenunion um jeden Preis verhindert werden muß. Mehr als 60.000 Internetnutzer haben das Video bisher bei Youtube gesehen, Tendenz stark steigend. Während die Welt dabei von einem „Enthüllungsvideo“ sprach, warnt der Spiegel, das Machwerk heize die „Anti-Europa-Stimmung“ an. Und überhaupt sei ja alles übertrieben oder längst bekannt.

Beatrix von Storch läßt sich davon nicht beeindrucken. Die Euro-Rettungspakete, warnt sie, werden eine Zwangssolidarität schaffen, die sowohl Gläubiger als auch Schuldnerländer gegeneinander aufbringen und so Europa nachhaltig schwächen. Dieser Meinung dürften auch die zahlreichen Autoren der Internetzeitung freie-welt.net sein, die ebenfalls von der Rechtsanwältin und ihrem Mann verantwortet wird. Dort schreibt neben anderen mehr oder weniger bekannten Autoren mittlerweile auch der  umtriebige Euro-Kritiker, FDP-Rebell und Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.

www.zivilekoalition.de

www.abgeordneten-check.de

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