© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Blick in die Medien
Sprachlos in der Wiener Hofburg
Toni Roidl

Ingrid Thurnher ist einer der Sterne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Österreichs. Sie erhielt siebenmal die „Goldene Romy“ als beliebteste Moderatorin. Doch nun steht sie am Medien-Pranger: Thurnher soll die Sendereihe „Sommergespräche“ (mit Spitzenpolitikern) abgeben. Was ist passiert?

Zum einen waren die Quoten in diesem Sommer mau. Allerdings liegt dies kaum an der Moderatorin: In Österreich gibt es zwei Jahre lang keinen Urnengang. Eine so lang anhaltende Pause zwischen Wahlen gab es noch nie. Zudem macht die Belanglosigkeit und Austauschbarkeit die Politikeraussagen immer langweiliger. Die deutschen ARD-Zuschauer kennen das: Jeden Abend neue Talkshows mit neuen Gästen, die aber irgendwie immer alle das gleiche sagen. Ermüdend ist das.

Frau Thurnher erntete besonderen Spott und Kritik für ihr Interview mit Werner Faymann. 437.000 Zuschauer sahen live zu, als sie den SPÖ-Chef und Bundeskanzler kritisch zur Steuerpolitik befragte. Sie wurde vorgeführt wie eine Schülerin. Dann der zweite Versuch: Turnher wollte wissen, warum die Regierung in Zeiten des Sparzwangs teure Anzeigenwerbung in Zeitungen schaltet. Faymann antwortete patzig: „Das sind ja keine Geschenke. Der ORF hat in meiner Zeit 160 Millionen für vier Jahre beschlossen bekommen. Ich hoffe, beim ORF ist es auch kein Geschenk, sondern er bringt Leistung dafür.“ Selten hat ein Spitzenpolitiker gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Journalisten so mit dem Zaunpfahl gewinkt. Thurnher war „schmähstad“, wie der Wiener sagt – sprachlos.

Nun kamen auch noch die genannten Zeitungen (Heute, Österreich), die erfolgreich über Thurnher herfielen. Eine kritische Frage nach der Sinnhaftigkeit teurer Regierungsanzeigen in österreichischen Zeitungen reichte aus, um sie medial hinzurichten. Der moralische Verfall der Medien steht dem der politischen Klasse in nichts nach.

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