© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/11 / 16. September 2011

Am Rande des Wahnsinns
Kritik an der Psychotherapie
Karlheinz Schuck

Eine kurze allgemeinverständliche Darstellung psychischer Erkrankungen und der gängigen Therapien – und das auf heitere Art. Dieser Aufgabe hat sich der Mediziner und Theologe Manfred Lütz unterhaltsam genähert.

Das Werk ist in drei Teile und zehn Kapitel mit mehreren Unterkapiteln gegliedert. Der erste Teil erklärt, warum die Normalen das eigentliche Problem sind – hier zieht der Autor gegen „militante Normale“ vom Leder, verteilt amüsante Seitenhiebe gegen die politische Korrektheit und normalen Blödsinn, wie „Comedy“ und Esoterik, und kritisiert die in seinen Augen oftmals stromlinienförmig agierende Religion.

Der zweite Teil widmet sich der Psychotherapie und der Psychiatrie, wendet sich mit Kritik an der Gesundheitsreligion dem Problem der Diagnosestellungen zu, beleuchtet psychische Erkrankungen unter dem Gesichtspunkt der Freiheit und gibt eine kleine Einführung in die Psychotherapie in Form von Psychoanalyse, Verhaltenstherapie und systemischer Therapie. Dem wohlüberlegten Einsatz von Psychopharmaka steht Lütz positiv gegenüber. Wichtig ist ihm aber, daß die Einsicht des Patienten der entscheidende Faktor der Heilung und eine Therapie keine Wahrheitslehre ist – sie bietet weder das Glück oder den Sinn des Lebens, noch den perfekten Menschen.

Teil drei schließlich stellt allen Diagnosen psychischer Krankheiten die entsprechenden Therapien zur Seite. Neben Einblicken in die Verletzlichkeit des Gehirns nehmen die Ausführungen über Alzheimer-Demenz großen Raum ein – sieht der Fachmann doch hier die Gesellschaft vor größte Herausforderungen gestellt. Sehr kritisch geht er mit der Forderung nach „Recht auf den eigenen Tod“ um. Die Gefahr sei groß, diese „Freiheit“ könne sich zur moralischen Pflicht gegenüber Angehörigen oder der Gesellschaft entwickeln, sich umbringen zu lassen.

Dem Thema Alkoholabhängigkeit widmet Lütz großen Raum, mit der interessanten These, daß der Zusammenbruch der Eßkultur Ursache für zunehmende Trunk- und Freßsucht ist. In der Analyse weiterer Suchtformen widmet er sich auch dem Cannabis-Konsum und erteilt der Verharmlosung der Einstiegsdroge Haschisch eine klare Absage.

Manfred Lütz: „Irre! Wir behandeln die Falschen“. Goldmann Verlag, München 2011, broschiert, 190 Seiten, 9,99 Euro

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