© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/11 / 23. September 2011

Warten auf die Situation
Politische Elitenbildung: Eine Tagung des Instituts für Staatspolitik zum Thema „Konservative Revolution“
Henning Hoffgaard

Noch bevor Götz Kubitschek ans Rednerpult tritt, ist die Spannung der etwa 40 bis 50 Zuhörer fast mit Händen zu greifen. Die Erwartungen könnten kaum höher sein. Viele der Anwesenden hoffen offenbar auf nicht mehr und nicht weniger als die Ausrufung einer neuen „Konservativen Revolution“. Doch noch bevor der Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik (IfS) über die Strahlkraft eben dieser zu sprechen kommt, rechnet er scharf mit dem politischen Konservatismus der Bundesrepublik ab. Die heutigen Konservativen, meint Kubitschek, suchten doch nur noch nach einem Weg, Frieden zwischen sich und dem „politisch korrekten Irrenhaus“ zu schaffen, in dem sie leben müßten. Er meint es ernst, keine Frage. Und er trifft den richtigen Ton. Die zumeist jungen männlichen Zuhörer nicken anerkennend, fühlen sich endlich verstanden.

Nicht wenige von ihnen kommen aus einem Umfeld, in dem der Meinungsfreiheit längst enge Grenzen gesetzt sind. Während der dreitägigen 12. IfS-Sommerakademie am vergangenen Wochenende treffen sie auf Gleichgesinnte, können sich jenseits gesellschaftlicher Normen austauschen und vernetzen.

„Wer sind die Gegner von heute?“ will Kubitschek wissen und wirkt ein wenig, als wüßte er selbst keine Antwort darauf. „Liberale, der Zeitgeist, die Linke, CDU oder doch etwas in uns selbst? Das Ermüden des weißen Mannes?“ Nur eines scheint nicht mehr zum Feindbild zu dienen: „das System“. Nicht einmal in Hinterzimmern, wie er schmunzelnd hinzufügt. Reform ja, aber ein Umsturz? Nein, das komme für viele vermeintlich Konservative schon lange nicht mehr in Frage. Oder doch? Zumindest für die historische Konservative Revolution, die keine war, jedoch gerne geworden wäre, braucht niemand im Saal noch begeistert zu werden.

Ernst Jünger, Arthur Moeller van den Bruck und Ernst von Salomon, auch Armin Mohler? Gelesen hat sie hier sowieso fast jeder, regelrecht verinnerlicht die meisten. Sogar Fan-T-Shirts mit den Porträts der Ikonen der Konservativen Revolution werden stolz getragen. Und wer dann tatsächlich noch Nachholbedarf bei der Konservativen Revolution, ihren verschiedenen Strömungen und dem Verhältnis zum Christentum hat, erhält mit den Vorträgen von Karlheinz Weißmann zu ebendiesen Themen das nötige historische Basiswissen. Flankiert werden diese von Referaten über die „Wehrwolf“-Bewegung (Dietolf Berg), die KR als Produkt der deutschen Geistesgeschichte (Steffen Dietzsch) und zu „Heideggers Revolution“, den Harald Seubert gegen die Anfeindungen und Fehlinterpretationen der Nachkriegsphilosophie in Schutz nimmt.

Doch Kubitschek ist noch nicht fertig mit den Konservativen. Ein wenig resignierend erklärt er, daß die deutschen Konservativen nach 1945 die harmloseste Rechte gebildet hätten, die es jemals gab. Daß der Blick aus dem politischen Schützengraben dabei durchaus nicht ungefährlich ist, hat der Chef der Edition Antaios selbst mehrfach erfahren müssen. Lesungen seiner Bücher mußten auf Druck gewaltbereiter „Antifaschisten“ abgesagt werden, auch die Bundeswehr entließ ihn erst und mußte ihre Entscheidung dann revidieren.

Aber davon kann auch so manch anderer vor Ort ein Lied singen. Und da Gemeinsamkeiten bekanntlich verbinden, entwickelt sich unter den Gästen recht schnell eine entspannte Klassenfahrtatmosphäre. Am Samstag steht zudem Sport auf dem Programm. Gemeinsames Laufen mit dem IfS-Geschäftsführer Erik Lehnert, der am Tag zuvor zum Thema Lebensreform und Politik referiert hatte. Abends wird zusammen getrunken, meist Wein oder Bier, und vor allem diskutiert.

Als dann am Samstag endlich „der Götz“ eintrifft, dauert es nicht lange, bis die Akademieteilnehmer mit der Klampfe in der Hand gemeinsam bündisches Liedgut aus den zwanziger Jahren singen. Traditionspflege und Elitenbildung gehen Hand in Hand. „Wie kann man heute intensiv werden?“ lautet die Grundfrage. Klar scheint nur, eine neue Bewegung wird hier nicht geboren. Derartige Gedanken weist denn auch Karlheinz Weißmann von sich.

Das kann das IfS nicht leisten, will es auch nicht. Hier marschieren nicht die Menschen, sondern die Gedanken, wie Kubitschek sagt. Das Ziel: die Besetzung des vorpolitischen Raums, die theoretische Unterfütterung der Bewegungen, die dann irgendwann die Tür aufstoßen zu einer grundlegenden Reform des politischen Systems. Hier gilt es, betont Weißmann, der jungen rechten Generation aufzuzeigen, welche Stränge und Traditionen der Konservativen Revolution es lohnt weiterzuführen und wovon man besser die Finger läßt. Ob man sich allzu lang mit derartiger Historisierung beschäftigen sollte, ist umstritten. „Das demographische Fenster schließt sich langsam“, wirft ein Teilnehmer ein. Was kann also konkret, jenseits der Theorien gemacht werden? Als „praktischen Ansatz“ bringt Kubitschek die „English Defence League“ ins Spiel. Diese habe während der Unruhen in Großbritannien gezeigt, daß sie über eine schlagkräftige Organisation verfüge.

So recht zufrieden ist damit keiner. Könnte das IfS nicht an der Bildung eines „patriotischen Blocks“ teilhaben? Nein, ist Kubitschek sich sicher. Die nötigen Vernetzungsbedingungen seien nicht gegeben. Zudem, ergänzt IfS-Geschäftsführer Lehnert, hätten Parteien kein Interesse an politischer Theoriebildung. „Wenn die Situation da ist, sind auch die Ideen da.“ Nur, die Situation könne das Institut für Staatspolitik eben nicht herbeiführen.

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Büro Berlin Telefon/Fax: 030 / 75 54 98 78 www.staatspolitik.de

Foto: Wolfgang Mattheuer, Sonnenstraße, 1976: Auf die Strahlkraft bauen

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