© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Richard Sulík könnte den erweiterten Euro-Rettungsschirm ESFS scheitern lassen
Der Furchtlose
Michael Paulwitz

Ein Spitzenpolitiker, der etwas von Wirtschaft versteht – das geht wohl nur in Osteuropa. Richard Sulík, Präsident des slowakischen Parlaments und Chef der rechtsliberalen Regierungspartei „Freiheit und Solidarität“ (SaS), will tun, wovon in der FDP allenfalls Parteidissidenten träumen: freiheitliche und marktwirtschaftliche Grundsätze über Koalitions-Nibelungentreue stellen – und die Ausweitung des Rettungsschirms ESFS, die der Einstimmigkeit aller 17 Euro-Länder bedarf, platzen lassen.

Der 43jährige Ökonom und Unternehmer meint es ernst. Ohne die zwölf Prozent und 21 Abgeordneten, die Sulíks erst ein Jahr zuvor gegründete SaS bei den Wahlen 2010 auf Anhieb erreicht hat, haben Premierministerin Radicova und die drei anderen Parteien der Mitte-Rechts-Regierung bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im Preßburger Parlament am 11. Oktober keine Mehrheit. Doch der Koalitionskrach ficht Sulík nicht an: Nicht er, sondern Radicova sei von früheren Positionen abgewichen – unter christdemokratischen Regierungschefs soll das ja vorkommen.

Drohungen, die Slowakei im Ablehnungsfall mit dem Entzug von EU-Fördergeldern zu bestrafen, beeindrucken Sulík nicht: „Ich bin nicht gewählt, damit ich von Brüssel oder anderen Regierungen gelobt werde, sondern damit ich die Interessen der Slowaken verteidige.“ Moralisierende Appelle der deutschen Bundeskanzlerin und der EU-Kommission verbittet er sich ebenfalls. Die Daueralimentierung von Ländern, die schlecht gewirtschaftet haben, „Solidarität“ zu nennen, sei schlicht „pervers“, so Sulík, und es sei nicht einzusehen, daß die Steuerzahler die Verluste der Banken tragen.

Der 1968 in Preßburg geborene Slowake, dessen Familie 1980 nach Deutschland emigrierte, hat sich hochgearbeitet: Hauptschule, Realschule und Gymnasium besucht und in München Physik und Betriebswirtschaft studiert. Nach der Wende ging er zurück in seine Vaterstadt, gründete ein Unternehmen und schloß sein Ökonomiestudium mit einer Arbeit über Steuerreformen ab. 2003 legte der langjährige Regierungsberater mit der Ausarbeitung und Einführung einer niedrigen Pauschalsteuer auch praktisch eine Grundlage für den slowakischen Aufschwung.

Den Euro hält Sulík an sich für eine gute Idee, die nicht von der unausweichlichen Griechenland-Pleite bedroht werde, sondern vom „frechen“ Mißachten der eigenen Regeln. Und würden die Vertragsgrundlagen weiter manipuliert, müsse die Slowakei austreten. Eine europäische Wirtschaftsregierung ist für ihn folglich ein rotes Tuch; jetzt schon sei die Regulierungswut in der EU größer als einst im sowjetischen Wirtschaftsblock. Dagegen regt sich Widerstand, in dem Sulík Schulterschluß sucht: Jüngst traf er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, er korrespondiert mit Václav Klaus in Prag und dem Euro-Kläger Peter Gauweiler. Ein echter Europäer eben.

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