© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Ein System zerstört sich selbst
Europäische Währungsunion: Philipp Bagus analysiert die Euro-Krise aus Sicht der österreichischen Volkswirtschaftslehre
Erich Weede

Philipp Bagus’ Buch über die „Tragödie des Euro“ ist eine kritische Analyse des Teilreservebankensystems und der inflationären Zentralbankpolitik seit dem Ende der Golddeckung. Vor allem aber ist es eine Streitschrift gegen ein sozialistisches Europa – die drohende Transfer- und Inflationsgemeinschaft.

Bagus arbeitet eine klassisch-liberale und eine sozialistische Vision Europas heraus. Die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarkts (für Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital) passen zur ersten, die Zentralisierung zur zweiten Vision. Er erläutert die inflationären Tendenzen des gegenwärtigen Geldsystems und weist sowohl auf den 90prozentigen Kaufkraftverfall der D-Mark seit 1948 als auch auf die Bremserrolle der Bundesbank gegen die Inflation in Europa hin.

Drei Kapitel beschreiben den Weg zum Euro. Bagus kritisiert die südeuropäische Dominanz und die geldpolitischen Umverteilungsgewinne der mediterranen Länder. Er diskutiert die These, daß der Euro ein Preis der deutschen Einheit gewesen sei, aber er verweist auch auf innerdeutsche Interessenten der Entmachtung der Bundesbank.

Aus Sicht der österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre werden staatliches Zwangsgeld ohne Warendeckung, Teilreservebanken und Zentralbanken kritisiert. Das System diene vor allem der Schuldenfinanzierung der Staatstätigkeit, so Bagus. Schon in der privilegierten Behandlung von Staatsanleihen als Sicherheiten durch die Europäische Zentralbank (EZB) sieht er ein Grundsatzproblem. Die Europäische Währungsunion (EWU) vermittele Anreize zur Schuldenfinanzierung der Staatsetats, weil die Politik nicht mehr nur zeitlich, sondern auch räumlich die Lasten verschieben kann. Unklare Eigentumsrechte in der EWU vermitteln die Anreize zur Übernutzung. Nur die Angst vor Hyperinflation, vor allem in großen Ländern, stehe dem entgegen.

Bagus seziert die Euro-Rettungsmaßnahmen. Er vertritt die These, daß die EWU im Gegensatz zum Binnenmarkt Konflikte verschärft. Seitdem die EZB Staatsanleihen kauft und griechische Bonds ohne Rücksicht auf deren Rating als Sicherheit akzeptiert, also zur bad bank geworden ist, sieht Bagus in ihr tendenziell eine Inflationsmaschine. Zwar sieht er, daß der Druck aus den relativ soliden Ländern einen positiven Einfluß auf die mediterranen Länder haben könnte, aber er bleibt skeptisch, weil das Bailout zum „Anrecht verantwortungsloser Regierungen“ geworden ist, und weil auf lange Sicht die Zentralisierungstendenzen die Begrenzung der Staatsmacht verringert. Bagus hält den Zusammenbruch des Eurosystems – nachdem auch Frankreich in die Bredouille kommt – oder eine Hyperinflation für wahrscheinlicher als die Durchsetzung eines echten Euro-Stabilitätspaktes.

Weil die österreichische Geld- und Konjunkturtheorie durch die Euro- und Schuldenkrise an Aktualität gewonnen hat, kommt das Buch zur rechten Zeit. Es gibt zwar irritierende Stellen im Buch, etwa wo der Zweite Weltkrieg im wesentlichen auf „Protektionismus und Wirtschaftsnationalismus“ zurückgeführt wird, oder wo die deutschen EU-Zahlungen in die Nähe von Reparationen gerückt werden und gleichzeitig der Hinweis auf die höhere Belastung der Niederländer als der Deutschen durch die Transferunion gegeben wird, aber die Kernbotschaft bleibt klar und bedenkenswert. Es sollte Pflichtlektüre für alle Bundestagsabgeordneten sein.

 

Prof. Dr. Erich Weede war Professor für Soziologie an den Universitäten Köln und Bonn.

Philipp Bagus: Die Tragödie des Euro – Ein System zerstört sich selbst. Finanzbuch Verlag, München 2011, 205 Seiten, gebunden, 17,99 Euro

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