© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Zeitschriftenkritik: P.M. Perspektive
Alles kalter Kaffee
Christian Vollradt

Peter Moosleitners Magazin, kurz P.M., war über Jahre der Platzhirsch unter den populärwissenschaftlichen Zeitschriften, quasi das Yps-Heft für Erwachsene. Um sich auf dem immer stärker umkämpften Markt zu behaupten, setzte Herausgeber Gruner & Jahr auf Spezialisierung, und so gibt es neben dem „normalen“ P.M.-Magazin noch das Geschichtsheft P.M. History, P.M. Biografie, die Ratgebersparte bedient P.M. Fragen und Antworten, und für Krimifreunde gibt es mittlerweile P.M. Crime Investigation Team. Tiefere Einblicke bei Themen, die uns tagtäglich in Zeitungen und Fernsehen „überfluten“, will erklärtermaßen der Titel P.M. Perspektive liefern. In der aktuellen Ausgabe wagt die Redaktion den ganz großen Coup und schlagzeilt auf dem Deckblatt: „Hinter den Kulissen von Deutschland“.

Über den grammatikalischen Lapsus könnte man hinwegsehen, wenn der Titel wenigstens hielte, was er verspricht, nämlich Hintergründiges über Jugend- und Internetkriminalität, die Macht der Bild-Zeitung und die „verborgene“ Welt der Geheimdienste. Die bleibt, soviel sei verraten, auch nach der Lektüre noch verborgen.

Ausgangspunkt eines Berichts über die Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste ist ein zufälliger Smalltalk am New Yorker Flughafen, in dem sich der Gesprächspartner des Journalisten als „verdeckter Ermittler des BKA“ ausgibt. Sollte die Geschichte stimmen, wäre es ein Skandal, daß sich deutsche Beamte so tapsig dekonspirieren. Andere Fachleute kommen nur in Zitaten vor, das einzige Interview zum Thema Terrorbekämpfung wird ausgerechnet mit Hans-Christian Ströbele geführt, laut P.M. „Deutschlands grünes Gewissen“.

Daß die vermeintlichen Hintergrundberichte wirklich in die Tiefe gehen, kann man nicht behaupten. Beispielhaft dafür ist der Artikel zum Thema Jugendgewalt („Generation Aggro?“): Ein bißchen Statistik hier, ein paar Zitate da, einige Fallbeispiele, das war’s. Zwar wird „Migranten und Gewalt“ als „oft beschworenes Problem“ erwähnt, aber dann im Raum stehen gelassen. Hinter den Kulissen? Fehlanzeige; keine Reportage aus dem nächtlich eingesetzten Streifenwagen, keine aus dem überfüllten Jugendarrest. Das gleiche gilt für den Artikel über Hamburgs Sündenmeile Reeperbahn: nichts, was man nicht genau so (oder besser) bereits dutzendfach woanders gelesen hat.

Wer aber wird allen Ernstes als Kronzeuge für dubiose Machenschaften der Bild-Zeitung herangezogen? Ausgerechnet Günter Wallraff, der Mann, der in Springers Flaggschiff vor gefühlt hundert, tatsächlich aber über dreißig Jahren einmal „Hans Esser“ war. Und sonst? Chefredakteur Kai Diekmann hat ein gutes Verhältnis zu Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg und findet den Papst toll. Dafür braucht man wahrlich „Insider“-Informationen.

Was immer also hinter den Kulissen Deutschlands ist – P.M. Perspektive verrät es nicht.

Kontakt:. Weihenstephaner Str. 7, 81673 München, Telefon: 089 / 41 52 00. Das Einzelheft kostet 5,50 Euro. www.pm-magazin.de

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