© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/11 / 30. September 2011

Frisch gepresst

Matthias Claudius. Den Zeitgenossen Goethes, den Wandsbeker Journalisten, Lyriker und religiösen Erbauungsschriftsteller Matthias Claudius (1740–1815), der sich um 1800 auch der frühkonservativen Publizistik annäherte, hätte Arno Schmidt als „guten Meister dritten Ranges“ durchgehen lassen. Tatsächlich ist der nonkonforme Kritiker der Aufklärung schon zu Lebzeiten eher eine Randfigur der deutschen Literaturgeschichte gewesen. Heute assoziieren auch Bildungsbeflissene mit seinem Namen oft nur eine Zeile seines „Abendliedes“ ( „Der Mond ist aufgegangen“). Daß auch solche marginale Figuren in anschaulichster Weise reanimiert werden können, beweist die ausgezeichnete Biographie von Annelen Kranefuss, der es gelingt, Leben und Werk des Dichters in der „Verflechtung mit seinem Zeitalter“ zu vergegenwärtigen, die aber jenseits des historischen Interesses eindringlich vor Augen führt, daß das Werk des christlich inspirierten Holsteiners an Existentialen rührt, die alle Veränderungen der Lebenswelten überdauern: Kindheit, Endlichkeit, Tod, „die Frage nach dem Transzendenten“. Eine bessere Einladung zur Claudius-Lektüre ist seit der fast hundert Jahre alten Biographie Wolfgang Stammlers nicht erschienen. (wm)

Annelen Kranefuss: Matthias Claudius. Eine Biographie. Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, gebunden, 320 Seiten, 23 Euro

 

Päpste im Gefecht. Um das Papsttum in Frage zu stellen, greifen Kritiker gern auf das historische Erbe der Kirche und seines obersten Brückenbauers zurück, das nicht immer im sonnigsten Licht erscheinen mag, nimmt man ausgerechnet das moralische Gewicht als Maßstab, das die Kritiker den Kirchenführern gerade allzugern absprechen würden. Neben Hexenverbrennungen, Misson mit dem Schwert etc. pp. böte das Themenfeld „Die Päpste als Kriegsherren“ wahrscheinlich jede Menge Nahrung. Wie der Theologe und Publizist Ulrich Nersinger darstellt, waren die Päpste seit dem Mittelalter als weltliche Herren eines bis zur Einigung Italiens nicht unbeträchtlichen Territoriums auch in allerlei Kriege verwickelt. Nersinger, intimer Kenner des Vatinkanstaates, schildert kurzweilig und prägnant, daß die Schweizer Gardisten mit ihren Hellebarden mitnichten die einzigen Waffenträger Seiner Heiligkeit waren. (bä)

Ulrich Nersinger: Tiara und Schwert. Die Päpste als Kriegsherren. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2011, gebunden, 192 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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