© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/11 / 07. Oktober 2011

„Unerträglich“
Vertreibung: Broschüre sorgt in Hessen für Streit
(krk)

Was der früheren hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti nicht vergönnt war, ist nun dem CDU-geführten Sozialministerium in Wiesbaden gelungen: die Schaffung einer Einheitsfront aus SPD, Grünen und Linkspartei. Auslöser war die Verschickung von 450 Exemplaren der Broschüre „50 Thesen zur Vertreibung“ des amerikanischen Völkerrechtlers Alfred de Zayas an Bildungseinrichtungen. Beigelegt war der Sendung ein Schreiben des Bundes der Vertriebenen. Kosten: Rund 5.100 Euro.

Da de Zays nicht zu den Wissenschaftlern zählt, die die Vertreibung der Deutschen als gerechte Strafe für den Zweiten Weltkrieg betrachten, sondern diese vielmehr als grausames Verbrechen geißelt, ließ der Aufschrei der Opposition nicht lange auf sich warten. Das Sozialministerium adele einen Autor, „der nachweislich in rechten Kreisen Zuspruch erfährt“, empörten sich Willi van Ooyen (Linkspartei), Dieter Franz (SPD) und Kordula Schulz-Asche (Grüne). „Durch die Verbreitung kruder Thesen und Verschwörungstheorien“ werde der Aufarbeitung der Geschichte geschadet und das Verständnis zwischen den europäischen Nachbarn behindert. Auch der DGB meldete sich zu Wort und forderte, die Broschüre umgehend zurückzuholen. Sie sei „in weiten Teilen schlicht unerträglich“.

Die CDU reagierte mit Unverständnis auf die Kritik: In der DDR sei es den Vertriebenen unter Androhung von Strafen verboten gewesen, über ihr Leid zu sprechen. Sie seien gezwungen worden, ihre kulturelle Identität aufzugeben, ihr Schicksal sei totgeschwiegen worden. „Für uns sieht es so aus“, stichelte der vertriebenenpolitische Sprecher der Fraktion, Ulrich Caspar, als wollten die Kritiker der Broschüre zu diesen Verhältnissen zurück.

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