© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Mit der Stoppuhr gegen das Parteivolk
FDP: Bei der Regionalkonferenz in Dortmund zeigt sich, wie weit sich die Parteiführung der Liberalen von der Basis entfernt hat
Ansgar Lange

Mit Bockwurst und Brüderle will die FDP zurück zu den „Brot-und-Butter-Themen“. So könnte man eine der Botschaften der Regionalkonferenz der Liberalen am vergangenen Sonntag in Dortmund auf einen Nenner bringen. Mit vier Veranstaltungen dieser Art will die liberale Führungsspitze wieder den Kontakt zur Basis aufnehmen. Im „Goldsaal“ der Westfalenhalle wurde aber vor allem eine große Kluft zwischen dem „einfachen Parteivolk“ und den in großer Zahl aufgebotenen Spitzenpolitikern der Partei deutlich.

Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Daniel Bahr nutzte seine Begrüßung, um die überwiegend männlichen Gäste auf Linie einzuschwören. Die Liberalen müßten ihren Gestaltungsauftrag annehmen, würden aber zur Zeit als „zerstrittenste Partei“ wahrgenommen. Dieses „An-die-Kandare-Nehmen“ kam nicht bei allen Besuchern gut an, die über den europapolitischen Kurs der FDP und das Erscheinungsbild der Liberalen in der Regierung diskutieren wollten. Insbesondere Bahrs unterschwelliger Versuch, die Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler in die anti-europäische und rechtspopulistische Ecke zu drängen, wurde mit Mißmut aufgenommen. Seine Appelle an die Geschlossenheit als Stärke wollten jedenfalls nicht recht verfangen.

Brüderle brachte den Saal zum Kochen

Auch die Rede des Parteivorsitzenden Philipp Rösler war alles andere als zündend. Betont sachlich bekannte er sich zu zwei liberalen Werten: einer klar pro-europäischen Ausrichtung und der wirtschaftlichen Kompetenz der Partei. Es war vielleicht kein kluger Einfall der Regie, den Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle direkt im Anschluß sprechen zu lassen. Denn dieser konnte viele seiner Parteifreunde mit einem klaren ordnungspolitischen Profil und kraftvoller Rhetorik überzeugen. Italien brauche weniger Bunga-Bunga und mehr Avanti. Sirtaki-Siggi, Schulden-Steinmeier und der „Gasmann“ (eine Anspielung auf das Gazprom-Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder) würden die jetzige Krise nicht besser managen als die christlich-liberale Mannschaft – solche Sätze brachten den Saal zum Kochen. Der Applaus für Brüderles Redebeitrag fiel jedenfalls deutlich stärker aus als der zum blassen Auftritt seines Vorredners.

Dann durfte endlich das Parteivolk ran, um das es ja eigentlich gehen sollte. Die Parteispitze mache die Basis der Liberalen in den Kommunen kaputt, lautete eine Klage. Seit 2009 sei die Arbeit der Bundesgeschäftsstelle ein ziemlicher Ausfall: Sie informiere entweder gar nicht oder – zum Beispiel beim anstehenden Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung – sehr einseitig. Rösler mußte sich anhören, er solle nicht Sach- zu Personalthemen machen. Es gehe nicht um die Frage Rösler oder Schäffler, sondern um den richtigen ordnungspolitischen Kurs in der Euro-Krise. Daß einige Redner das „Umfallen“ der FDP in der Energiepolitik oder vermeintliche Gleichmacherei im Gesundheitswesen massiv kritisierten und sogar empfahlen, lieber erhobenen Hauptes aus der Regierung auszutreten, kam bei den anwesenden Ministern Bahr, Rösler, Westerwelle und Leutheusser-Schnarrenberger nicht gut an.

Generalsekretär Christian Lindner zeigte sich zwar als abgeklärter Tagungsleiter und Redner, doch sein häufiger Verweis auf Formalia wie „Beschlußfassungen“ oder das rigide Betätigen der Stoppuhr bei Redebeiträgen der Basis – drei Minuten für Vertreter der Basis standen jeweils 30 Minuten für Bahr, Rösler und Brüderle gegenüber – dürften das Herz der Partei an diesem Sonntagmittag nicht unbedingt erreicht haben.

Daß die Wahrnehmung der Außenpolitik von Guido Westerwelle von Medien und FDP-Parteivolk durchaus differiert, wurde an dem tosenden Applaus deutlich, den der Außenminister für sein Bekenntnis erhielt, es sei richtig gewesen, „keine deutschen Soldaten nach Libyen geschickt zu haben“. Der Stabilitätspakt sei bereits 2004 aufgeweicht worden, so der frühere Parteichef zur Euro-Krise. Die FDP müsse nun die Suppe auslöffeln, die ihr Rot-Grün eingebrockt habe. Der „Euro-Rebell“ Frank Schäffler, der 3.800 Unterschriften für einen Mitgliederentscheid gesammelt hat, monierte, daß die FDP-Führungsriege Reden und Handeln nicht mehr zusammenführe. Er plädierte für mehr plebiszitäre Elemente. Seine Unterstützer, die zahlreich in die westfälische Metropole gereist waren, seien wie er nicht für mehr oder weniger, sondern für ein „besseres Europa“.

Die Regionalkonferenz in Dortmund hinterließ den Eindruck, daß Basis und Partei momentan mit zwei Zungen sprechen. Ein überzeugendes Rezept, wie denn nun mit „den Griechen“ und dem Krach in der Koalition umzugehen sei, fiel keinem ein. Und so herrschte weitgehend Ratlosigkeit. Der Mitgliederentscheid könnte spannend werden.

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