© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Grüße aus Santiago de Cuba
Kurze Träume vom Glück
Alessandra Garcia

Das Dekret 292 beschäftigt die Kubaner. Denn das in der Gaceta Oficial abgedruckte Gesetz lädt zum Träumen von Überlandfahrten mit sicheren japanischen oder deutschen Autos ein, statt der schrottreifen Oldtimer. Auch das Ausland jubelte: Erstmals dürfe im kommunistischen Kuba mit neuen Autos gehandelt werden. Wenn das nicht ein Zeichen dafür ist, daß es Präsident Raúl Castro ernst meint, mit dem Reformprogramm. Ist dem so? Es lohnt sich einen Blick auf den Text zu werfen, nach dem Kubaner angeblich Autos kaufen und verkaufen dürfen. Sicher, der Handel mit Oldtimern aus vorrevolutionären Zeiten scheint künftig legal zu sein. Aber diese waren bisher auch schon das einzige Stück Privateigentum, an dem die Castro-Brüder nicht gerüttelt hatten. Und mit ihnen war auch bisher gehandelt worden, wenn auch nicht ganz legal.

„Viel ist möglich –äußerst streng geregelt bleibt jedoch der Erwerb von Neuwagen.“

Nun dürfen sie offiziell verkauft werden. Und was ist mit den Autos aus der Sowjetunion, Polen, Frankreich, Mexiko, Japan und China? Sie blieben bisher Staatseigentum, auch wenn sie verdienten, linientreuen Künstlern, Wissenschaftlern oder Sportlern geschenkt wurden. Konkret bedeutete das, sie konnten eingezogen werden, falls der Beschenkte sich ihrer nicht mehr als würdig erweisen sollte.

Das soll jetzt anders werden. Eigentum soll Eigentum bleiben. Wer also einmal ein Auto vom Staat geschenkt bekommen hat, darf dieses jetzt offiziell handeln. Streng geregelt ist dagegen der Erwerb von Neuwagen. Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Kuba durften bereits 2010 einmalig ein Auto kaufen. Kubaner, die über Devisen verfügen, soll das künftig auch gestattet sein. Aber sie müssen nachweisen, woher sie das Geld haben.

Ein reicher Onkel in Amerika reicht da nicht aus. Schließlich könnte es ja sein, daß sonst Regimegegner ein Auto gespendet bekämen. Deswegen listet Dekret 292 detailliert auf, wer potentieller Autobesitzer sein darf: Funktionäre, Techniker, Lehrer, Wissenschaftler, Ärzte, Künstler, Schriftsteller, Kapitäne und Piloten. Diese müssen in offizieller Mission im Ausland gearbeitet haben. Auch ehemalige Angestellte der Marinebasis in Guantánamo werden genannt.

Ein freier Markt wird ein Traum bleiben. Auch deswegen, weil allein der Staat die Neuwagen einkauft. Und zwar gewiß dort, wo sich ihm die größte Preisspanne zwischen Ein- und Verkauf bietet. Es geht nicht um Reformen, sondern um Devisen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen