© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Frisch gepresst

Osteuropa im Krieg. Der US-Historiker Timothy Snyder (Universität Yale) hat 2010 sein Buch „Bloodlands“ herausgebracht, in dem er die Genozide an Zivilisten in Ostmitteleuropa zwischen Finnischem Meerbusen im Norden, der Warthe im Westen und dem Don im Osten unter die Lupe nimmt und in der Periodisierung (1932–1945) gewohnte Pfade in provozierender Manier verläßt. Umgehend brachte ihm der daraus erwachsende Ansatz, die Verbrechen Stalins wie den ukrainischen Holodomor oder die „Säuberungen“ nach 1936 neben die Verbrechen Hitlers, insbesondere den Holocaust, zu stellen, die geharnischte Kritik derjenigen ein, die die These der „Unvergleichbarkeit“ dieser Massenverbrechen gestört sehen – unbeeindruckt davon, daß Snyder alles andere als einen apologetischen Ansatz verfolgt. So wird denn auch alles vermieden, um eine Verbrechensgeschichte „der Deutschen“ umzudeuten, die „üblicherweise“ nach Eroberung fremder Territorien „Zivilisten töteten“, wie Snyder – den Spuren des „Vernichtungskriegers“ Jochen Böhler folgend – in der Beschreibung des Polenfeldzugs zum besten gibt. Dazu zählt auch, daß die Massenverbrechen gegen deutsche Zivilisten in diesen „Bloodlands“, zu denen die Bromberger Pogrome 1939 ebenso gehören wie die Verbrechen der Roten Armee in Ostpreußen 1945, nicht mit einer Zeile Berücksichtigung finden. Es steht also nichts Wesentliches im Wege, daß die nun vorliegende deutsche Übersetzung von „Blood-lands“ als Sachbuch des Herbstes abgefeiert werden wird. (bä)

Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. Verlag C.H. Beck, München 2011, gebunden, 523 Seiten, Abbildungen, 29,95 Euro

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