© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/11 / 14. Oktober 2011

Festhalten am Euro führt Europa in den Untergang
Die prominenten Kläger gegen die Schuldenpolitik des Euro-Rettungsschirms weisen mit ihrer Kritik an der europäischen Währungsunion auf den Ursprung der kommenden Misere
Michael von Prollius

Fünf volkswirtschaftlich erfahrene Professoren, bewährt in Wissenschaft und Praxis, entlarven die Rettungs-, Stabilisierungs- und Einheitspropaganda der herrschenden Nomenklatura in Brüssel und Berlin. Im Euro- und EU-Drama bedeutet Rettung nämlich Krisenverschärfung, Stabilisierung uferlose Transferzahlungen und vermeintliche Einheit tatsächlich Spaltung. In ihrem einleitenden Appell an die Bürger „Europa retten“ schreiben sie: „Die europäische Existenzkrise ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist das Ergebnis maßlos leichtsinniger, hoch riskanter Politik und wird Europa in den Abgrund reißen.“

Dem politischen Amalgam aus Unwissen, Lügen, behaupteter Alternativlosigkeit und Angstmacherei setzen die fulminanten Fünf klaren Verstand und Verantwortungsbewußtsein entgegen. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Union wäre keine Katastrophe. Im Gegenteil, das politische Tabu könnte vielmehr der Ansatzpunkt für einen Ausweg aus der Euro-Krise sein: Die „Minimal-Lösung“ bedeutet einen Austritt von volkswirtschaftlich nicht Euro-fähigen Ländern, die „Maximal-Lösung“ den Rückbau zur Wechselkursunion konkurrierender, nationaler Währungen wie vor dem Euro als Grundlage eines friedlichen und prosperierenden Europas mit seinen historisch-kulturell gewachsenen Unterschieden.

Indes steht mit der Währungsfrage nicht nur unser Wohlstand zur Disposition. Vielmehr geht es um unsere Lebensgrundlage insgesamt, denn die praktizierte Flucht in den EU-Zentralismus birgt weitreichende Gefahren: „Ein Einheitsstaat Europa würde all das auslöschen oder zu Potemkinscher Fassade reduzieren, was sich der alte Kontinent seit Reformation und Aufklärung mühsam (und zum Teil blutig) erkämpft und der Welt als Beispiel vorgelebt hat: die Demokratie, die Freiheitsrechte der Bürger, den Rechts- und Sozialstaat ...“

Der streckenweise beherzte Appell zur Umkehr auf dem verhängnisvollen Weg ist nach dem Vorwort in sechs Kapitel gegliedert. Wilhelm Hankel, ehemaliger Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundeswirtschaftsministerium, entwickelt die Argumentation in einer allgemeinverständlichen Kurzfassung. Anschließend folgen gleichermaßen straffe Kapitel zum Geburts- und Konstruktionsfehler des Euro, Deutschland als Zahlmeister und dem Versagen der EZB, bevor Hankel für ein neues Europäisches Wechselkurssystem plädiert.

Wilhelm Nölling, ehemaliges Mitglied der Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank, diagnostiziert, der Euro sei der größte Irrtum der Währungsgeschichte, wie ein Überblick über Einwände von Bundesbank, Euro-Klägern und frühen Mahnungen vieler Ökonomen beweise. Seine anschließende Analyse zeigt, wie Geld- und Fiskalpolitik die Krise durch Geldschöpfung und Verschuldung immer weiter verschärft haben.

Karl Albrecht Schachtschneider, Staats-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrechtler, zeichnet nüchtern die sogenannte Euro-Rettungspolitik seit 2010 nach. Für den Leser ist das eine Fundgrube voller Fakten, gerade zum Entwurf des ESM-Vertrags und den Verfassungsbeschwerden, denen allerdings eine Erläuterung gutgetan hätte. Im Kapitel „Unrecht und Unvernunft des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)“ zeigt Schachtschneider, wie das Scheitern des Euro, dessen Erfolg eigentlich die politische Einheit Europas bescheren sollte, nun zur Errichtung eines zentralistischen Europa an den Bürgern vorbei genutzt wird. Das geschieht auf eine Weise, die sitten- und grundgesetzwidrig ist und zahlreiche Rechtsbrüche in Kauf nimmt, da die Mehrheit der Richter des Bundesverfassungsgerichts „zur Parteienoligarchie“ gehöre.

Dieter Spethmann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG, bietet in seinem lesenswerten Kapitel eine Bestandsaufnahme der Rettungsmaßnahmen und der ökonomischen Folgen. Seine Quintessenz: „Der Euro schadet in den Ländern mit schwächerer Volkswirtschaft der realwirtschaftlichen Entwicklung“, wie ein Vergleich mit der Zeit vor dem Euro belege. Während Deutschland nun Irland, Griechenland, Portugal und bald auch Spanien stützt, fehlt zu Hause das Kapital für private und staatliche Investitionen. Der Euro schade vor allem Deutschland, auch durch vermindertes Wachstum, milliardenschwere Wohlstandstransfers sowie einen überproportional wachsenden Finanzsektor. Der Euro ist für Spethmann „nichts anderes als eine neue Übertreibung der Papiergeldphilosophie“.

Joachim Starbatty, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, entmystifiziert abschließend mit politik-ökonomischen Argumenten die Funktionsmechanismen der EU-Währungsunion. Politisiertes Geld, fehlendes Wechselkursventil, ein „entmannter Stabilitätspakt“ sowie zu niedrige Zinsen und eine Interventionsspirale gehören zu den zentralen Krisentreibern. Machtpolitiker und EZB versuchen, uns den Euro als Erfolg zu verkaufen, aber: „Wer die politischen Erklärungen von Politikern zur Euro-Zone mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit konfrontiert, erkennt, wie riskant es ist, politische Fragen von dieser Komplexität zum Gegenstand politischer Entscheidungen zu machen.“

Angesichts dieses Fazits überrascht es, daß keiner der Fünf das Übel an der Wurzel packt. Wenn Regierungen und Zentralbanken systematisch versagt haben, ist eine Entpolitisierung die logische Konsequenz, und das bedeutet weg von der Trabbi-Währung hin zu Mercedes-Marktgeld, also das Ende des staatlichen Währungsmonopols. Dem informativen Band ist die weite Verbreitung zur Aufklärung der Bevölkerung zu wünschen, auch wenn die sehr unterschiedlichen, teilweise fachspezifischen Texte etwas sperrig nebeneinander stehen. Das Buch ist ein engagiertes Plädoyer für ein Eu-ropa in Freiheit und Wohlstand.

Wilh. Hankel, Wilh. Nölling, Karl A. Schachtschneider, Dieter Spethmann, Joachim Starbatty: Das Euro-Abenteuer geht zu Ende. Kopp Verlag, Rottenburg 2011, gebunden, 252 Seiten, 19,95 Euro

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