© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Der 13. Februar wirft seine Schatten voraus
Geschichtspolitik: Die Erinnerung an die Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomber im Jahr 1945 sorgt wieder einmal für Streit
Paul Leonhard

Alle Jahre wieder: Auch im kommenden Februar wird in Dresden wieder demonstriert und schon jetzt wirft der Streit um die Veranstaltungen seine Schatten voraus. Bereits jetzt liegen der Stadtverwaltung mehrere Anträge auf Veranstaltungen am 13. und 18. Februar vor. Am ersten Datum jährt sich die Zerstörung der Barockstadt durch angloamerikanische Bomber, das zweite Datum ist der darauffolgende Sonnabend. Dieser wird traditionell von rechten Gruppierungen für einen Gedenkmarsch genutzt. Außerdem wurden eine Menschenkette und die traditionelle Gedenkveranstaltung auf dem Dresdner Heidefriedhof angemeldet.

Im Dresdner Rathaus wird derweil über den richtigen Umgang mit dem 13. Februar gestritten. Favorisiert wird zur Zeit eine Menschenkette quer durch das Stadtzentrum, wie es sie bereits 2010 und 2011 gegeben hatte. Ziel sei es, Demonstrationen und Kundgebungen rechtsextremer Kameradschaften „eine gemeinsame starke Aktion aller demokratischen Kräfte entgegenzustellen“, wie es der Erste Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP) formuliert. Wie das aussehen soll, weiß Hilberts Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU): „Wenn sich 5.000 Nazis versammeln, müßten sich ihnen mindestens 50.000 Bürger friedlich entgegenstellen.“ Allein den Stadtoberen ist für diese Art der Proteste die Bevölkerung abhanden gekommen. Der Unmut unter den Dresdnern über den Mißbrauch ihres Gedenktages ist gewachsen. Nach einer Umfrage der Technischen Universität Dresden sind 92 Prozent für ein stilles Gedenken ohne auswärtige Politikprominenz. Auch Gegenaktionen in Hör- und Sichtweite der Kundgebungen von Rechtsextremisten lehnen 89 Prozent ab.

Der Schock über die Straßenschlachten am 19. Februar vergangenen Jahres steckt den Dresdnern noch tief in den Knochen. Damals hatten etwa 3.000 linke und 3.500 rechte Demonstranten die Innenstadt zwischen Hauptbahnhof und Universitätsviertel besetzt und sich teilweise heftige Auseinandersetzungen geliefert. Mehr als hundert Polizisten wurden verletzt. Ähnliches droht auch im kommenden Jahr. So versichert Hans-Jürgen Muskulus, Stadtchef der Linken, daß man alle „friedlichen Protestformen unterstützen“ werde, er läßt aber gleichzeitig keinen Zweifel, daß die Partei sich an illegalen Aktionen wie Sitzblockaden beteiligen werde: „Die Nazis wollen richtig marschieren – also muß man sie auch richtig daran hindern.“

Mit ihren Provokationen zielt die Linkspartei auf das konservative Dresdner Bürgertum und die CDU. Die von Ordnungsbürgermeister Sittel angeregte zentrale, überparteiliche Kundgebung sei eine „geheuchelte Alibiveranstaltung“, sagt Muskukus. Das „kultartige Zelebrieren von Selbstmitleid“ würde „die Nazis ja erst in Scharen“ in die Stadt locken. Die CDU wolle „erneut den linksextremen Popanz aufbauen, um mit diesem davon abzulenken, daß Sachsen, nicht Dresden, ein gewaltiges Nazi-Problem hat“. Aus Sicht der Jungen Union gibt es vor allem ein linksextremistisches Problem. „Weniger medial beachtet, aber nicht minder aggressiv sind regelmäßig die Demonstrationen „gegen Rechts“, sagt Thomas Starke, Vorsitzender der Projektgruppe „Versammlungsrecht“ der JU Sachsen und Niederschlesien. Demonstrationen dürften grundsätzlich nicht zum Zweck des „politischen Klimaschutzes“ verboten werden, so Starke: „Ein Recht auf Störung – beispielsweise unter Berufung auf zivilen Ungehorsam – läßt sich weder aus der Verfassung herleiten, noch ist es in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat legitim.“ Wer Demonstrationen störe, offenbare seine fehlende Fähigkeit oder Bereitschaft, sich mit der Meinung des politischen Gegners argumentativ auseinanderzusetzen. Gleichzeitig setzt aber auch die JU auf Verbote. Es müsse geprüft werden, ob die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) als Veranstalter der Demonstrationen nicht „wegen ihrer gegen die Völkerverständigung gerichteten Zielsetzung verboten werden kann“, heißt es in einem Positionspapier der JU.

Auf Toleranz setzt dagegen Bürgermeister Hilbert: Eine Gesellschaft müsse es aushalten, daß „wir uns an die Grundrechte zunächst selbst halten, deren Einhaltung wir auch von anderen einfordern“. Vor allem müssen für den Liberalen „die Dresdner wieder Herr des Verfahrens werden“. Wie diese zu gewinnen sind, soll jetzt eine Arbeitsgruppe herausfinden. Moderiert wird diese von  dem ehemaligen Bürgerrechtler Frank Richter, der gleichzeitig Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen ist. Richter hat bereits klargemacht, daß für ihn nur Aktionen in Frage kommen, die auf der „Basis von Recht und Gesetz“ stehen. Verfassungsmäßig unzulässige Mittel wie Sitzblockaden sind damit ausgeschlossen.

Foto: Linksextremisten im Februar 2011 in Dresden: Die Bevölkerung wendet sich ab

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