© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Grüße aus San Francisco
Verappte Realitäten
Elliot Neaman

Um die Verkehrsbelastung in der am dichtesten bevölkerten Stadt in Kalifornien (6.600 Einwohner pro Quadratkilometer) zu reduzieren, hat die Stadtverwaltung von San Francisco schicke Parkuhren aufstellen lassen, die die Gebühren je nach Auslastung berechnen. Ein Parkplatz im Bankenviertel kostet vier US-Dollar pro Stunde, wenige Straßen weiter braucht man eventuell nur drei Dollar oder weniger zu berappen. Es gibt bereits eine Applikation, die Autofahrern bei der Suche nach Parkplatz-Schnäppchen hilft.

Gerade die Nachricht von Steve Jobs’ Tod hat mir bewußt gemacht, wie sehr Apps, zu deren Erfindung und Verbreitung er wesentlich beigetragen hat, bereits das Stadtleben verändert haben. Dabei entdeckte ich eine neue App, die eines der größten Ärgernisse zeitgenössischer Stadtbewohner löst: die Unwägbarkeiten der öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Gruppe von Computerhackern hat eine App erfunden, die mit Hilfe von GPS-Signalen Verspätungen und andere Probleme entlang der Buslinien in Echtzeit anzeigt.

Die Stadt nahm diese Anregung nicht nur dankbar auf, sondern richtet ihrerseits sogenannte „Hackathons“ aus, um Alltagsprobleme in den Griff zu bekommen. Zu den bisherigen Siegern zählt eine App namens „Good Buildings“, die Bürogebäude nach allen möglichen Aspekten bewertet, die für Bewerber auf freie Stellen von Interesse sind: Energieeffizienz, Sicherheit und, und, und. „Market Guardians“ ist eine App für die ärmeren Viertel, wo frisches Obst und Gemüse schwer aufzutreiben sind. „Public Art Spaces“ hilft Künstlern, leere Gebäude zu finden, die sich als Ateliers nutzen lassen.

Isoliert betrachtet, sind diese Innovationen nicht gerade revolutionär, aber sie mögen sich durchaus als zukunftsweisend herausstellen. Statt passiv darauf zu warten, daß Stadtplaner am Reißbrett eine Lösung für dringende Probleme finden, mischen sich die Menschen aktiv in Entscheidungsprozesse ein.

Die virtuellen Plattformen des „Social Networking“ geben ihnen nicht nur Megaphone in die Hand, mit denen sie sich lautstark über Probleme beschweren können, sondern auch die Werkzeuge, um sie zu lösen. Die Kulturpessimisten, die vor einer Schönen Neuen Welt technologischer Tyrannei warnen, vergessen dabei, daß Maschinen keine eigenen Ideen haben – Menschen hingegen haben jede Menge Ideen, und zwar immer neue.

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