© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Zunehmende Angst vor dem Beitritt
Postkommunistische Staaten: Während die Slowakei und Slowenien den Euro-Rettungsschirm mit Ach und Krach durchwinkten, blickt Kroatien skeptisch gen Norden
Carl Gustav Ströhm jr.

Ganz EU-Europa hatte gebannt auf Preßburg gestarrt. Stimmt das slowakische Parlament für die Erweiterung des Rettungsschirms EFSF? Neun Stunden rangen die Parlamentarier um das „Schicksal Europas“. Dann ging alles ganz schnell. Wie angekündigt hatten sich die Abgeordneten der rechtsliberalen SaS unter ihrem Vorsitzenden Richard Sulik der Stimme enthalten. Die rechtsliberale Koalitionsregierung stand ohne Mehrheit da und zerbrach. Die oppositionelle linkspopulistische Smer-Partei sprang in die Bresche, und zwei Tage später wurde die Erweiterung des Rettungsschirms in einem zweiten Gang beschlossen.

Nun hat Preßburg an den Maßnahmen zur Euro-Rettung einen Anteil von 7,7 Milliarden Euro zu schultern und kann so seinen Ruf, ein „stabiler und verläßlicher Partner“ (Ministerpräsidentin Iveta Radicova) der EU zu sein,  untermauern.

Doch nicht nur in Preßburg wurde lange hinter den Kulissen über den Euro-Rettungsschirm gestritten, auch  in Laibach, der Hauptstadt Sloweniens war ein Ja nicht sicher. Nur mit Hilfe der Opposition brachte die zuvor in einem Mißtrauensvotum gestürzte Mitte- Links-Regierung von Ministerpräsident Borut Pahor den Antrag für eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes durch.

Rund vier Milliarden Euro soll Slowenien zu dem erweiterten Fonds beitragen. Dies scheint ein geringer Betrag zu sein, wenn man die Zahl des Gesamtbetrages von 440 Milliarden Euro vor Augen hat. Doch Slowenien ist seit der Wirtschaftskrise vom beispielhaften Mitgliedsstaat zu einem defizitären Land geworden. Geplant sind Kürzungen der Beamtengehälter um rund vier Prozent. Sozialausgaben sollen eingefroren werden. Während Pahor Slowenien, dessen Bonität bereits herabgestuft wurde, als „loyalen Partner der EU“ bezeichnete, sprach sich die unterlegene  Opposition gerade wegen der miserablen wirtschaftlichen Situation gegen den Rettungsfonds aus. „Sind 100 Euro in Slowenien und Deutschland das gleiche? Sicherlich nicht, da die Gehälter dort höher sind“, sagte Franc Puksic von der slowenischen Volkspartei (SLS), dessen Meinung nach Slowenien einen unfairen Anteil an dem Fonds hat.

Nur zweihundert Kilometer weiter, in der kroatischen Hauptstadt Zagreb, betrachtet man die innenpolitischen Debatten um die Euro-Rettung und deren finanzielle Implikationen mit Interesse. Denn am 19. Dezember soll die EU-Mitgliedschaft Kroatiens mit einer Vertragsunterzeichnung fixiert und Kroatien somit 2013 als EU-Mitgliedstaat aufgenommen werden.

Der lang ersehnte Schritt und Blick in eine rosige Zukunft wird jedoch zunehmend getrübt. Die Bevölkerung Kroatiens ist nach der Affäre rund um den kroatischen General Ante Gotovina, dessen Auslieferung an den Haag erst Beitrittsverhandlungen ermöglicht hatte und vor allem durch die Eurokrise  höchst verunsichert.

Durch die derzeitige Krise rund um Griechenland und die EU herrscht in Kroatien regelrechte Angst vor dem Beitritt. Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung befürchtet ein zweites Jugoslawien, oder, wie es die Kroaten nennen, „Euroslawien“ – und vor allem eine weitere Verschuldung durch die Krise, die für Kroatien fatale Folgen hätte. Doch Premierministerin Jadranka Kosor von der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) versucht zu beruhigen: „Wenn wir den Beitrittsvertrag unterzeichnet haben und mit den Verhandlungen fertig sind, wird Kroatien aus der Krise kommen.“

Vor dem Hintergrund der erhitzten Debatte um die Nachteile eines EU-Beitritts finden am 4. Dezember Parlamentswahlen statt. Kein Wunder, daß gleich mehrere Parteien, die sich gegen einen Beitritt Kroatiens zur EU aussprechen, um die Unzufriedenen buhlen. So zum Beispiel die Partei „Bund für Kroatien“, in der sich in erster Linie christlich-soziale Politiker aus kleineren Parteien zusammengefunden haben. Auch die EU-kritsche kroatische Rechtspartei „Partei des Rechts“ (HSP) gewinnt immer mehr an Zustimmung, vor allem in den Regionen, in denen noch die Spuren des Krieges bis heute deutlich sichtbar sind. Zwar könnten die Anti-EU-Parteien ideologisch nicht unterschiedlicher sein, doch verbinden sie zwei Dinge: die Liebe zur unter hohem Blutzoll gewonnenen Unabhängigkeit sowie die Empörung über die Politiker, die die errungene Freiheit für den EU-Beitritt Kroatiens an Brüssel beziehungsweise an Den Haag „verkauft“ haben.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen