© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Ein Schuldenschnitt ist besser als eine weitere Staatenstützung
Griechische Reißleine
Bernd Noske

In der politischen Diskussion ist immer wieder der Eindruck erweckt worden, als ob zwischen der Haushaltslage einiger Mitgliedsländer und der Integrität des Euro ein zwingender Zusammenhang bestünde. Das ist aber weder institutionell noch faktisch der Fall. Vor der Einführung des Euros 2001 betrugen die griechischen Staatschulden über 14.000 Euro pro Kopf. Das entsprach einem VW Polo. Laut Prognosen steigen sie im kommenden Jahr auf über 38.000 Euro – dem Wert einer luxuriösen Mercedes C-Klasse. Das ist untragbar.

Wenn sich Griechenland mit seinen Gläubigern nun auf neue Größenordnungen der Höhe, Laufzeit und Verzinsung seiner Schulden einigt, dann hat das mit der Stabilität des Euro primär nichts zu tun, ebensowenig, wie wenn ein großes Unternehmen in eine solche Situation geraten würde. Athen kann eine Umschuldung durchaus innerhalb der Euro-Zone durchführen. Ob sich Griechenland oder ein anderes Pleiteland außerhalb des Euro mit einer eigenen Währung „erholt“, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Es sollte dem betreffenden Land überlassen bleiben.

Bei einer solchen Neuverhandlung der Kredite werden die Banken als Gläubiger alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Interessen bei der Vereinbarung eines tragfähigen neuen Konzeptes so gut wie möglich zu wahren. Danach wird ihre bilanzielle Position je nach Einzelfall mehr oder weniger erschüttert sein. Sie werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um durch Einsparungen, Auflösung stiller Reserven oder Verkauf von Beteiligungen die in die Bilanz gerissenen Löcher wieder zu stopfen. Viele Banken könnten diese Aufgaben bewältigen, ohne auf die Hilfe Dritter angewiesen zu sein.

Erst wenn sich herausstellen sollte, daß einige Banken nicht überlebensfähig sind, stellt sich in jedem Einzelfall die Frage für die Politik des betreffenden Landes, ob sie staatliche Überbrückungshilfe gewähren will. Dieser erfolgt zweckmäßig in Form eines Überbrückungsdarlehens (mit oder ohne Besserungsschein) oder als Kapitalbeteiligung. Die sind a priori nicht verloren, sondern haben durchaus das Potential, nach einer längeren Genesungszeit wieder werthaltig zu werden. Ob solche Rettungsmaßnahmen dann mit oder ohne wenigstens teilweiser Beteiligung der Gläubiger dieser Bank (vor allem andere Bankengläubiger) durchgeführt werden, muß individuell entschieden werden.

Die finanzkrisenbedingten Überbrückungen der Schweizer Nationalbank für die UBS oder der Federal Reserve Bank für US-Großbanken sind teilweise mit beträchtlichen Überschüssen abgewickelt worden. Bei all diesen Umschuldungs- und Rekapitalisierungsmaßnahmen scheitert weder der Euro noch Europa.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen