© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Banken hadern mit Rekapitalisierung
Finanzkrise: EU-Kommission fordert höhere Eigenkapitalquoten, damit aus der kommenden Griechenlandpleite kein Flächenbrand wird
Marco Meng

Am Wochenende erreichten die „Occupy Wall Street“-Proteste gegen die Macht der Finanzbranche Deutschland: In Berlin, Frankfurt und Hamburg demonstrierten Tausende gegen die Ausbeutung der Steuerzahler durch die Banken. Dabei wollen die deutschen Geldhäuser offiziell gar kein Geld vom Staat: In einem Brandbrief an Finanzminister Wolfgang Schäuble protestierten die Bankenverbände gegen die geplanten Eigenkapitalvorschriften der EU. Um einen Kollaps der Branche – etwa bei einem griechischen „Schuldenschnitt“ – zu verhindern, hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Banken sollten ihr Eigenkapital deutlich stärken. Damit soll ein Dominoeffekt wie nach der Lehman-Pleite 2008 vermieden werden. Schon jetzt leihen sich die Institute gegenseitig kaum noch Geld. Banken, die noch liquide sind, bunkern ihr Geld lieber bei der Europäischen Zentralbank (EZB), als es zu verleihen.

Gleichzeitig geht ein lukratives „Geschäftsmodell“ zu Ende: Jahrelang liehen sich Banken billiges EZB-Geld und kauften davon hochverzinsliche Anleihen von Krisenstaaten wie Griechenland – im Pleitefall steht ja der Steuerzahler bereit. Ihre „Systemrelevanz“ schützt Banken vor der eigenen Insolvenz, denn seit Lehman wurden sie nicht kleiner, sondern noch größer (Too big to fail).

Nun sollen die Geldhäuser so mit Kapital ausgestattet werden, daß sie einen Schuldenschnitt auch in Irland, Portugal, Spanien oder Italien verkraften können. Bei der Rettungsorgie geht es um Billionen, denn die ausstehenden Staatsschulden im Euro-Raum belaufen sich etwa auf 6.500 Milliarden Euro. Argwöhnisch betrachten die Banken den laufenden Streßtest der europäischen Bankenaufsicht EBA. Die Londoner Behörde prüft derzeit Risiken, die bei großen europäischen Banken aus dem Besitz von Staatsanleihen entstehen.

Die EBA setzt eine Kernkapitalquote von neun Prozent an, was einen Refinanzierungsbedarf von 275 Milliarden Euro bedeuten würde. Die deutsche Kreditwirtschaft hingegen fordert, daß die verschärften Eigenkapitalanforderungen („Basel III“), die erst ab 2019 voll gelten sollen, nicht vorweggenommen werden. Für die solide wirtschaftenden Volks- und Raiffeisenbanken ist „Basel III“ in der Tat ein Wettbewerbsnachteil (JF 33/11). Wie lasch Streßtests sind, zeigt das Beispiel Dexia-Bank. Noch im Juli hatte sie den Test mit Bravour bestanden, im Oktober wurde Dexia notverstaatlicht (JF 42/11).

„Die Deutsche Bank wird alles tun, daß wir auch dieses Mal kein Staatsgeld brauchen“, tönt Vorstandschef Josef Ackermann, auch wenn das bedeute, sich von Dingen zu trennen, die im strategischen Interesse der Bank lägen. Eine „staatliche Einmischung“ in Geschäftsmodelle oder Vergütungssysteme wolle man dem Institut nicht zumuten. Bis die Banken die höheren Eigenkapitalquoten erreichen, dürfen sie nämlich keine Boni und Dividenden ausschütten. Für Ackermann ist nicht die Kapitalausstattung der Banken das Problem, sondern die Tatsache, daß Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren haben. Die Deutsche Bank selbst könne mit einer Überschußliquidität von 180 Milliarden Euro „mehrere Monate gut leben“.

Als derzeitiger Chef des internationalen Bankenverbandes IIF ist Ackermann gleichzeitig an den Griechenland-Krisengesprächen beteiligt. Ziel sei ein Schuldenerlaß von 50 Prozent, den die Banken freiwillig akzeptieren sollten. Am Ende wird man dies „Umschuldung“ nennen. Schlecht für die Steuerzahler ist jedoch, daß inzwischen ein Großteil der griechischen Staatspapiere bei der EZB gelandet ist. Ein weiterer Teil wurde durch die „Griechenlandhilfe“ sozialisiert: Bei einem 60prozentigen „Haircut“ in Athen entstünden Deutschland laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Kosten von 47,7 Milliarden Euro.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte unterdessen die französische Großbank BNP Paribas, die mit fast 30 Milliarden Euro in Staatsanleihen der Euro-Pleitekandidatenländern engagiert ist, auf „AA-“ herab. Angesichts der Rettungslogik ist damit auch das französische „AAA“-Staatsrating („eine tragende Säule des Euro-Rettungsschirms“) in Gefahr: „Eine übermäßig hohe staatliche Mittelbereitstellung für die Rekapitalisierung der französischen Banken liefe deutlich den Bemühungen der französischen Regierung zuwider, das französische Budgetdefizit und die nächstes Jahr fast 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragende Staatsverschuldung abzubauen“, warnte DIW-Forschungsdirektor Ansgar Belke im Handelsblatt.

Statt nun Krisenbanken zu „verstaatlichen“ wäre es angebracht, sie einfach pleite gehen zu lassen – wie jedes andere Unternehmen auch, das versagt hat. Deutschland hat durch seine Einlagensicherungssysteme seit Jahrzehnten die notwendigen Instrumente. Sparkassen- und Genossenschaftskunden haben seit der Währungsreform 1948 ohnehin noch nie ihr Spar- und Termingeld verloren. Sollte der Einlagensicherungsfonds der Privatbanken im Fall der Fälle nicht ausreichen, dann – aber nur dann – könnte der Staat einspringen.

Foto: Proteste gegen die Allmacht der Banken: Warum läßt man Kriseninstitute nicht einfach pleite gehen?

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