© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

„Ja, das müssen wir aushalten“
Beobachtungen auf der Frankfurter Buchmesse
(JF)

Konsolidierung des Minuskel-Lagers. Das Neue Deutschland hat eine neue Titeloptik. Die für das Marketing verantwortliche Dame erklärt am Stand warum: Laut einer Umfrage hätten viele unbedarfte Leser die Zeitung für ein rechtes Blatt gehalten. Deswegen erscheint der ND-Titel jetzt – wie bei taz und junge welt – in Kleinschreibung, dafür darunter komplett in Großbuchstaben der Untertitel: Sozialistische Tageszeitung. Will „die Linke unter den Großen“ jetzt zur „Großen unter den Linken“ mutieren? (dia)

Am Stand des Gabal-Verlages springt eine Regalreihe mit dem Titel „Einfach mal die Klappe halten“ ins Auge, darüber das Pendant „Crash Kommunikation“. Eine Redewendung aus der Zeit der Entspannungspolitik kommt mir in den Sinn, adaptiert auf diese Gegenwart lautete sie: Wer miteinander redet, liest nicht. (cd)

Keine Bühne, auf der Charlotte Roche nicht ihr neues Buch „Schoßgebete“ präsentiert. Später sagt sie – als ihr „die nicht einseitige, aber fast ganzseitige“ JF-Besprechung gereicht wird –, ihre Psyche sei leider „zu labil“ für Kritiken. (dia)

Nein danke, ich rauch nicht mehr, doch dafür wieg ich mehr. Der Komödiant und Buchautor Bernd Stelter („Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben“) erklärt, daß er nun auch noch mit dem Rauchen aufgehört habe, was wieder zu einer Gewichtszunahme (sechs Kilo) geführt habe, aber auch den Zugewinn von zwei Tonhöhen bedeute. (do)

Der isländische Autor Hallgrímur Helgason erzählt, daß die isländischen Schriftsteller früher um so bedeutender gewesen seien, je weniger Bücher sie veröffentlichten. Je länger ein Schriftsteller schwieg, um so höher stieg sein Ansehen. Wichtig sei auch die Stille in der Literatur gewesen, ein typischer Titel hätte etwa gelautet: „Das schweigende Moos“. (cd)

Laß mich dein Pirat sein, diesmal ohne den üblichen Streßtest: Das Cosplay-Phänomen der kostümierten jungen Generation nutzt auch Scientology, die auf der Messe einen Piraten in das Kostümgetümmel schicken. (do)

Zwiegespräch zweier Mitarbeiter linker Verlage über den JF-Stand. Er (zwischen Staunen und Erschrecken): „Das ist ja gar kein Lumpenproletariat, das sind ja richtig bürgerliche, gebildete Leute.“ – Sie: „Ja, das müssen wir ja nun aushalten, wir sind doch tolerant.“ Weniger tolerant ist der im selben Gang befindliche Neue Weg, der Verlag der MLPD. Hier wird bei kritischer Nachfrage das Vertrauen durch Kontrolle ersetzt. (dia)

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