© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

MDR: Neue Chefin mit roter Vergangenheit
Kann Karola Wille den Sumpf trockenlegen – oder ist sie zu sehr „Eigengewächs“ des Skandalsenders?
Hinrich Rohbohm

Beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) will einfach keine Ruhe einkehren. Wieder einmal gerät der Sender in die Negativ-Schlagzeilen. Wieder einmal in Verbindung mit dem eigenen Personal und deren Verstrickungen in den SED-Unrechtsstaat der DDR. „Feuer auf dem Reiterhof“ hatte der Focus bereits vor zehn Jahren in Anspielung auf den nun aus dem Amt scheidenden MDR-Intendanten Udo Reiter getitelt, nachdem diverse Stasi-Vorfälle beim MDR bekanntgeworden waren.

Aus dem Feuer ist inzwischen ein Haus in Trümmern geworden. Zu viele Skandale haben mittlerweile den Sender erschüttert. 2005 mußte der Sender Wilfried Mohren als Fernseh-Sportchef suspendieren, weil der Schleichwerbung betrieben hatte. Mohren hatte sich für 330.000 Euro Bestechungsgeld darauf eingelassen, Interviews und Veranstaltungen werbewirksam im MDR zu plazieren.

Dann kam der Skandal um den Tochtersender „Kinderkanal“. In dieser Woche wartete der Spiegel mit einer neuen Enthüllung auf: Der Sender hat offenbar jahrelang zu hohe Mieten für seine Räume bezahlt. Veruntreuung nicht ausgeschlossen. Zu allem Überfluß berichtete Bild am Sonntag auch noch, daß das MDR-Fernsehballett exklusiv für den tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow in Grosny getanzt hat. Der MDR hat kein Fettnäpfchen ausgelassen.

Und nun beabsichtigt der MDR auch noch Karola Wille die Reiter-Nachfolge zu übertragen, nachdem die Wahl des Chefredakteurs der Leipziger Volkszeitung, Bernd Hilder, vom Verwaltungsrat gekippt worden war. Ein Akt, der für weiteren Ärger sorgen könnte. Denn die Biographie der derzeit als Juristische Direktorin tätigen 52jährigen weist eine tiefe Verbundenheit mit dem DDR-Regime auf. Schon mit 18 Jahren tritt die aus einer linientreuen Familie stammende gebürtige Chemnitzerin „aus Überzeugung“ in die SED ein, konnte später an der juristischen Fakultät von Jena Rechtswissenschaften studieren. 1985 promoviert sie zum Thema „Ausländerkriminalität im sozialistischen Staat“, schreibt darin, daß die Vorzüge des Sozialismus auch im internationalen Rahmen zur Geltung zu bringen seien und daß es eine historische Mission der Arbeiterklasse gebe.

Wille arbeitet bereits seit 20 Jahren für den MDR. 1996 wurde sie Chefjustitiarin des Senders. Jahrelang war sie mit einem DDR-Militärstaatsanwalt verheiratet. Zudem ist sie als Honorarprofessorin für Medienrecht an der Universität Leipzig tätig. Beim MDR scheinen die Verantwortlichen mit Willes kommunistischer Vergangenheit offenbar keine Probleme zu haben.

Damit wäre die Personalie Wille die Fortsetzung einer Kette von Vorfällen, in denen sich Mitarbeiter des Senders als ehemalige kommunistische Kader entpuppten.

Anfang 2001 war der damalige MDR-Unterhaltungschef Udo Foht in den Verdacht geraten, als IM „Karsten Weiß“ für die Stasi spioniert zu haben. Eine Verpflichtungserklärung war in seiner Stasi-Akte jedoch nicht aufgefunden worden, ein ehemaliger Stasi-Hauptmann entlastete ihn mit einer eidesstattlichen Versicherung. Allerdings konnte der Verdacht gegen Foht nie vollständig ausgeräumt werden. Außerdem soll Foht in mindestens einem halben Dutzend Fällen auf MDR-Briefbögen Geldzahlungen von Dritten angefordert haben, die nicht an den Sender gingen.

Im gleichen Jahr war zudem herausgekommen, daß der MDR-Fernsehmoderator Ingo Dubinski als IM „Diplomat“ 1983 für die Stasi tätig gewesen war. 1988 war er darüber hinaus der Hauptabteilung Aufklärung der Unterabteilung IV zu Diensten gewesen, die für Militärspionage im westlichen Ausland zuständig war.

Auch die beim MDR unter Vertrag gestandene „Fakt“-Moderatorin Sabine Hingst war für Mielkes Behörde tätig. Zwischen 1985 und 1989 wurde sie unter dem Decknamen „Christine“ als „Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit“ (GMS) geführt und habe „vorbildliche Aufklärungsarbeit“ geleistet.

Der stellvertretende MDR-Personalratsvorsitzende Wolfgang Leyn war als IM „Jürgen Holzer“ für die Stasi tätig, Sachsenspiegel-Moderator Stephan Bischof sogar hauptamtlicher Mitarbeiter. MDR-Info-Nachrichtenchef Ingolf Rackwitz hatte die Stasi-Identität des IM „Jürgen Holzer“ und soll 1979 vom KGB übernommen worden sein. Ab 1984 arbeitete er für die Hauptverwaltung Aufklärung. 

Und der Hörfunkredakteur und ehemalige Journalistik-Student am sogenannten Roten Kloster der Universität Leipzig, Michael Hametner, hatte knapp sieben Jahre als IM „Detlev Lauer“ Dienst für die Stasi verrichtet.

Selbst die Sekretärin der MDR-Intendanz war als Offizierin hauptamtlich für „Horch und Guck“ tätig gewesen. 1992 hatte der Sender noch 1.206 Angestellte auf eine etwaige Stasi-Tätigkeit überprüfen lassen. Laut Informationen der Welt sollen dabei 100 Mitarbeiter mit Stasi-Verstrickungen entdeckt worden sein. Kündigungen wurden jedoch nur in zwei Fällen ausgesprochen. Sollte Karola Wille tatsächlich zur Intendantin gewählt werden, wäre auch die oberste Führungsposition des MDR von der kommunistischen Vergangenheit überschattet.

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