© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Antifa heißt: Kampf gegen die SPD
Die Biographie des „Focus“-Redakteurs Armin Fuhrer über den KPD-Führer Ernst Thälmann
Hans-Joachim von Leesen

Wer westlich der Elbe aufgewachsen ist, dem sagt meist der Name Ernst Thälmann nichts. Die Landsleute östlich der Elbe hingegen, denen man 45 Jahre lang die sowjetische These eingetrichtert hat, Thälmann sei ein Kämpfer für die Rechte des Proletariats gewesen, haben offenbar nichts dagegen, daß immer noch mehr als 600 Straßen und Plätze seinen Namen tragen. Da könnte es hilfreich sein, wenn zu den bereits vorhandenen neuen Biographien eine moderne, dazu noch leicht lesbare aus der Feder des namhaften Journalisten Armin Fuhrer hinzukommt: „Ernst Thälmann. Soldat des Proletariats“. Die Lektüre dürfte diesen und jenen veranlassen, darüber nachzudenken, ob es nicht an der Zeit wäre, die sich in den Straßennamen und Ehrenmalen dokumentierte Verehrung auf eine sachliche Beurteilung zu reduzieren.

Ernst Thälmann, der sich selbst „Teddy“ nannte, 1886 in Hamburg geboren, wuchs auf unter den in jener Zeit tatsächlich auf schlimme Weise ausgebeuteten Arbeitern, so daß es nicht verwundern kann, daß er in der SPD die politische Heimat finden mußte. Auf dem Umweg über die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD), der linken Abspaltung der SPD von 1917, stieß er im Oktober 1920 zur Kommunistischen Partei. Sie lehnte die Bestrebung der SPD ab, durch Reformen die inzwischen gegründete Weimarer Demokratie zu einem gerechteren sozialen Staat umzuformen, und wollte stattdessen nach dem russischen Vorbild aus Deutschland eine sowjetische Räterepublik machen.

Bald nahm Thälmann in der Hamburger KP eine führende Position ein. Als der internationale Zusammenschluß aller kommunistischen Parteien, die Komintern, in der Meinung, in Deutschland herrsche eine revolutionäre Stimmung, 1923 den bewaffneten Aufstand im Reich plante, ihn dann jedoch widerrief, gab Ernst Thälmann trotzdem den Hamburger Genossen den Befehl zum Losschlagen.

So griffen am Morgen des 23. Oktober bewaffnete Trupps zahlreiche Polizeiwachen vor allem in Barmbek, Eimsbüttel und im Hafengebiet an, in dem Glauben, Gleiches geschehe überall im Reich. Der Revolutionsversuch schlug fehl. Nach drei Tagen brach der Hamburger Aufstand trotz sowjetischer Militärberater zusammen. Das Ergebnis: 17 erschossene und 69 verwundete Polizeibeamte. Die Verluste auf seiten der kommunistischen Aufständischen waren nicht zu ermitteln. Man schätzt ihre Zahl auf 90 bis 270. Niemand sah Ernst Thälmann auf den Barrikaden. Trotz des Fehlschlages ließ sich Thälmann, der zunächst untergetaucht war, bei den deutschen Genossen wie bei der sowjetischen Führung als Held feiern. Stalin fand Gefallen an dem nicht mit besonderen geistigen Gaben gesegneten Hamburger, entsprach er doch dem Typus des Proletariers.

Alles unternimmt die KPD unter der Führung von Ernst Thälmann, um die Weimarer Republik zu schädigen und möglichst zum Einsturz zu bringen. „Regierung der Schieberrepublik!“ nennt sie die Reichsregierung. Ein kommunistischer Abgeordneter beginnt seinen Redebeitrag im Reichstag mit der Wendung „Hochverehrtes Affentheater!“ Kommunistische Abgeordnete brechen im Reichstag Schlägereien vom Zaun. Als Gegenbild zur Demokratie von Weimar gilt den Kommunisten Rußland, das angebliche Arbeiter- und Bauernparadies.

Der Hauptfeind der KPD ist die Sozialdemokratie. „Der Kampf gegen den Faschismus ist in erster Linie der Kampf gegen die SPD“, so Thälmann. Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler mit der Regierungsbildung beauftragt wird, nachdem die übrigen Parteien drei Jahre lang nicht in der Lage waren, eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden, vertritt Thälmann den Standpunkt, „dieser Spuk“ werde bald vorübergehen, und dann sei die Stunde der Kommunisten gekommen.

Die neue Reichsregierung geht entschieden gegen die Kommunisten vor. Thälmann und andere Funktionäre gehen in den Untergrund oder fliehen in die UdSSR. Thälmann wird, nachdem er am 7. Februar 1933 auf einer geheimen Zusammenkunft von Mitgliedern des Zentralkomitees der KP in Ziegenhals Massenaktionen, Überfälle, Entwaffnung der faschistischen Banden angekündigt hatte, von einem seiner Genossen verpfiffen und in seiner geheimen Berliner Wohnung verhaftet.

Nachdem er bei den ersten Vernehmungen geschlagen worden war, beschwert er sich bei Hermann Göring, der daraufhin veranlaßt, daß Thälmann korrekt behandelt wird. Er wandert durch verschiedene Haftanstalten. Die Anklageschrift wirft ihm vor, daß er Hochverrat betrieben habe. Über seine Frau schickt er Briefe an Stalin, von dem er hofft, daß er ihn befreit, doch der ist der Meinung, Thälmann in Haft sei für den Weltkommunismus wichtiger als in Freiheit. Die Komintern stellt erhebliche Summen Geldes für seine Verteidigung zur Verfügung. Ein Prozeß wird jedoch immer weiter verschleppt.

1944 endet sein Leben. Das genaue Datum ist ebensowenig bekannt wie die Einzelheiten seines Sterbens. Offiziell heißt es, Thälmann sei durch einen Bombenangriff im August 1944 der Briten auf Rüstungsbetriebe in Nähe zum  Stammlager Buchenwald ums Leben gekommen. Andere behaupten, man habe ihn in Buchenwald liquidiert. Der angeklagte mutmaßliche Täter wird jedoch 1988 vom Landgericht Düsseldorf freigesprochen.

Im Grunde gibt es nichts Verehrungswürdiges an dem in die Irre geführten kommunistischen Agitator. Seine Beurteilungen der politischen Lage waren immer falsch, seine Maßnahmen schlugen fast alle fehl. Und sein Ziel, die Bolschewisierung Deutschlands, war, wenn nicht verbrecherisch, so doch menschenfeindlich. Das sind die Schlußfolgerungen, die man aus der Lektüre von Armin Fuhrers Thälmann-Biographie ziehen muß.

Armin Fuhrer: Ernst Thälmann – Soldat des Proletariats. Olzog Verlag,  München 2011, gebunden, 272 Seiten, Abbildungen, 26,90 Euro

Foto: Ernst-Thälmann-Denkmal des  russischen Bildhauers Lew Kerbel in Berlin (1986): Sein Ziel war die Bolschewisierung Deutschlands

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