© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/11 / 21. Oktober 2011

Haltungsnote
Karaokesänger
Christian Schwiesselmann

Reiner Calmund mag die erste Strophe des Deutschlandliedes. Diesen Eindruck soll jedenfalls Calmunds neue Buchschwarte „Eine Kalorie kommt selten allein“ erwecken, die der schwergewichtige ehemalige Bundesligamanager von Bayer 04 Leverkusen auf der Frankfurter Buchmesse vorstellte. Der 62jährige bekennende Gourmand zeigte sich pikiert: „Der Verlag hat Kürzungen vorgenommen, dadurch wurde der Sinn in dem betreffenden Satz entstellt“, setzte Calmund im Interview mit der Süddeutschen Zeitung dem Mosaik Verlag aus der Random House-Verlagsgruppe eine bittere Speise vor. Dabei gehe es in dem fehlerhaften Kapitel vor allem darum, was der auf 200 Kilo Lebendgewicht geschätzte Betriebswirt nicht ißt: Graupen, Herz, Lunge und Kaninchen.

Zudem schilderte der einstmals schlanke Fußballspieler, der nach einem Knorpelschaden im Sprunggelenk seine Stollen an den Nagel hängen mußte, eine Szene aus dem Film „Das Wunder von Bern“. Am stärksten habe ihn die dargestellte Siegerehrung 1954 mit der Nationalhymne berührt. Und damals wurde eben „Deutschland, Deutschland über alles“ und nicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“ gesungen.

Entgegen zahlreichen Presseenten läßt „Calli“ – wie ihn die Boulevardpresse zu nennen pflegt – die erste Auflage nicht einstampfen, sondern den Lapsus in der zweiten Auflage korrigieren. 20.000 Exemplare mit der Äußerung, er goutiere die erste Strophe, seien „leider schon verkauft“. Die Frage des Interviewers, ob „das neue bunte Deutschland“ eine neue Hymne brauche, brachte den Dicken indes ins Schwitzen: „Nee, nee, ich krieg bei Haydn noch immer eine Gänsehaut.“ Bei dem Text von Fallersleben könne man sich nicht versingen: „Das ist wie Karaoke. Wer sich da noch vertut, der ist bösartig. Oder blöd.“ Viel Streß für einen, der vor allem bei Streß mampft.

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