© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Korruption und Mißwirtschaft
Öffentliche Verschwendung: Der Bund der Steuerzahler stellte sein Jahrbuch 2011 vor / Euro-Rettung erneut kein Thema
Henning Hoffgaard

Griechenland versinkt in Chaos, Schulden und Gewalt. Durch die Straßen Athens zieht Tränengas, Molotowcocktails fliegen auf Polizisten. Dutzende Menschen laufen verletzt durch die Stadt und suchen nach medizinischer Hilfe. Szenenwechsel. Zur gleichen Zeit in Berlin steht der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, mit ausdruckslosem Gesicht vor den Kameras der großen Fernsehsender und Nachrichtenagenturen und stellt das neue Jahrbuch zur Steuergeldverschwendung vor. „Am Beispiel Griechenlands“, warnt er, „wird deutlich, welche Folgen drohen, wenn sich ein Staat überschuldet.“

Auch Deutschland habe mittlerweile eine Staatsverschuldung von über zwei Billionen Euro. Wer es genauer wissen will, kann die obligatorische Schuldenuhr, sie hängt in jedem Bundesland vor den Geschäftsstellen des Steuerzahlerbundes, zu Rate ziehen. Um etwa 1.500 Euro steigt die Schuldenlast von Bund, Ländern und Kommunen derzeit. Pro Sekunde wohlgemerkt. Etwa jeder zehnte Euro, den der Bund ausgibt, muß über Kredit beschafft werden. Wenn es um Mißwirtschaft und Korruption geht, braucht man also gar nicht nach Südeuropa schauen, resümiert Däke.

Den Beweis hält er am Ende der Pressekonferenz medienwirksam in die Kameras. Auf hundert Seiten führt der Bund der Steuerzahler Beispiele für die öffentliche Verschwendung auf. Überflüssige Politikerreisen auf Kosten der Allgemeinheit gibt es in diesem Jahr nicht zu bemängeln. Dafür den „Klassiker“: überflüssige Brücken und Straßen. So leistete sich die stark verschuldete Gemeinde Wilnsdorf für 1,5 Millionen Euro eine Brücke, obwohl keine 300 Meter schon die nächste steht. In Berlin baute der Senat eine Brücke über einen kleinen Teich, die offenbar weder von Anwohnern gewollt, noch sonst einen Sinn hatte. Kostenpunkt für die damit erreichte Verkürzung des Fußweges um 45 Sekunden: 78.000 Euro. Neben überflüssigen Infrastrukturmaßnahmen findet sich auch allerhand Skurriles. Obwohl sich auf und um den Wochenmarkt in Ratingen zahlreiche behindertengerechte Toiletten befinden, leistete sich die Stadt eine „vollautomatische“ Toilette. Mit durchschnittlich gerade einmal fünf Nutzern pro Tag macht das „stille Örtchen“ seinem Namen hier alle Ehre. 110.000 Euro ließ Ratingen für das Luxusklo springen. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 8.000 bis 10.000 Euro.

Die Liste der offensichtlichen Steuergeldverschwendungen ist lang: Überflüssige Rechtsstreite, erfolglose und teure Internetportale oder historische Stätten, die zwar erhalten, für den Publikumsverkehr aber gesperrt werden. 5.000 Euro hier, drei Millionen Euro dort. Kleinigkeiten also. Die Gesamtverschwendung kann und will der Steuerzahlerbund, der heute mit 300.000 Mitgliedern etwa 200.000 weniger hat als noch vor zehn Jahren, nicht beziffern. Immerhin 40 der insgesamt etwa 150 Mitarbeiter des privaten Vereins sind mit der Recherche neuer Fälle beschäftigt.

Nur eines hat der Bund der Steuerzahler offenbar nicht auf dem Schirm seines Schwarzbuches. Die Euro-Krise und die drohenden Milliardenzahlungen an Banken und überschuldete Euro-Mitgliedstaaten. „Risiken bestehen natürlich“, unterstreicht Däke, diese könnten derzeit allerdings nicht beziffert werden. Ein wohlfeiles Argument. So werden die Steuerzahler wahrscheinlich auch im nächsten Jahr nicht auf die drohenden Milliardenkosten durch die Euro- und Bankenrettung im Schwarzbuch Steuergeldverschwendung aufmerksam gemacht. Dabei gibt es dort ein extra Kapitel „Verschwendung droht“.

Das BdSt-Jahrbuch „Die öffentliche Verschwendung 2011“ im Internet: www.steuerzahler.de

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