© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/11 / 28. Oktober 2011

Leserbriefe

Zu: „Dealer, Junkie und der Entzug“ von Dieter Stein, JF 43/11

Träumer, Täuscher und Dilettant

Der Bund der Steuerzahler hatte Anfang 2007 eine Gesamtstaatsverschuldung von 1.546 Milliarden Euro ausgewiesen. Im September 2011 waren es 1.976 Milliarden und drei Wochen später schon 2.073 Milliarden Euro. Sind die Politiker wirklich der Auffassung, daß man mit einer Schuldenbremse diesen Trend stoppen könnte? Peer Steinbrück behauptete am 29. September 2011 in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag, daß die Verursacher der Krise nicht an den Folgekosten der Finanzierung beteiligt würden, weil sie sich „systemrelevant immunisiert“ hätten. Gemeint waren damit wohl die Banken.

Doch die Verursacher der Krise sind einzig und allein die Politiker aller Parteien in den meisten EU-Ländern. Sie haben über ein halbes Jahrhundert permanent Schulden gemacht. Jedes Unternehmen hätte bei gleicher Handlungsweise längst Pleite gemacht. Nicht die Banken, Versicherungen, Hedgefonds etc. haben sich „systemrelevant immunisiert“, sondern die verantwortlichen Politiker. Erinnert sei auch an die astrologische Weissagung aus dem Finanzministerium des Herrn Eichel, der uns glauben machen wollte, daß 2006 der Bundeshaushalt ausgeglichen sein würde. War da ein Träumer, ein Täuscher oder ein Dilettant am Werk? Es trifft wohl alles zu!

Wolfgang Haars, Salzgitter

 

 

Zur Meldung: „Gedächtnisstätte: Streit um neue Immobilie“, JF 43/11

Beschlagnahme nicht zu erwarten

Unlängst habe ich an einer Veranstaltung des Vereins „Gedächtnisstätte e.V.“ in seinem neuen Domizil in Guthmannshausen/Thüringen teilgenommen. Von Rechtsextremismus habe ich dabei nichts verspürt. Freilich gelten für unsere Alt- und Neo-Stalinisten alle deutschen Patrioten als Rechtsextremisten. Wer nicht in den Chor „Deutschland verrecke!“ oder „Nie wieder Deutschland“ einstimmt, der ist ein unverbesserlicher „Nazi“. Wir haben ja auch eine Kanzlerin, die die Ermordung deutscher Frauen und Kinder durch die „tapferen“ Rotarmisten ganz offiziell als Befreiung bezeichnet hat.

Der Immobilienverkauf in Guthmannshauseen erfolgte nicht an den Verein, sondern an eine Privatperson, so daß weder ein Rückkauf noch eine Beschlagnahme durch den Staat zu erwarten sind. Der Verdruß der Gutmenschen ist verständlich, denn das Anwesen im neoklassizistischen Stil würde im Westen nicht unter zwei Millionen Euro zu haben sein, wurde aber von der Thüringischen Liegenschaftsgesellschaft nach drei Jahren Leerstand für weniger als 400.000 Euro verkauft.

Adolf Frerk, Geldern

 

 

Zu: „Pankraz, der Schwarm und der Tanz der Ichlinge“, JF 43/11

„Scharmintelligenz“ auch 1933

Pankraz’ Kolumnen bereiten mir immer wieder Vergnügen; eine kleine ungutmenschliche Vertiefung möchte ich diesmal nachreichen: Abgesehen von der Frage nach der spezifischen Schwarmintelligenz, die Opaschowskis Ichlinge zusammenströmen ließ – ist er danach überhaupt der Autor? –, kommt mir doch der Verdacht: Hatten wir das nicht schon mal? Hatte man in Deutschland das Verschwinden der Ichlinge nicht bereits vor siebzig Jahren vorausgesagt, als es hieß: „Du bist nichts, dein Volk ist alles“? Ob diese Erkenntnis damals schon aufgrund von Schwarmintelligenz gewonnen wurde, bleibt allerdings ungewiß, zumal die Ichlinge damals noch nicht von „Freizeitforschern“ untersucht werden konnten. Wahrscheinlich wurden die Ichlinge von gewaltigen Wirbelstürmen davongetragen, ausgelöst durch die unablässigen Flügelschläge schwarmloser Solo-Schmetterlinge.

Wilko Fokken, Bunde

 

 

Zu: „Selbstherrliche Eliten“ von Klaus Hornung, JF 43/11

Menschen mit Sachkenntnis

Dank für diese Analyse der Gründe, die viele Menschen in die Fassungs- und Heimatlosigkeit gebracht haben! Es muß einfach Leute geben, die aussprechen, wohin der Weg uns führt, Menschen mit Mut und Sachkenntnis – so wie Professor Hornung und viele Ihrer Mitarbeiter.

Jutta Staudte-Werner, Berlin

 

 

Zu: „Demokratie schafft sich ab“ von Michael Paulwitz, JF 42/11

Deutschland zahlt seit 1919

Als 1925 Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde, wurde zum Gedenken eine Münze geprägt, auf deren einer Seite der Ausspruch des Erwählten zu lesen war: „Für das Vaterland beide Hände, aber nichts für die Parteien.“ Man mag heute über den ersten Halbsatz lächeln, doch der zweite hat nichts von seiner Glaubwürdigkeit verloren. Die deutschen Bürger starren wie die Kühe beim Donnern, ängstlich und fassungslos. Sie lassen sich den Garant des Wohlstandes, die Mark, wegnehmen und stellen nun mit Entsetzen fest, daß man alle (!) „Maastricht“-Verträge gebrochen und damit den deutschen Rechtsstaat zerstört und Deutschland in die monetäre Versklavung geführt hat.

Die älteste Zeitung Frankreichs, der Figaro, kommentierte dies mit den Worten: „In Versailles (1919) bluteten (zahlten) die Deutschen nur einmal, in der Währungsunion für alle Zeiten.“ Offenbar ist die heutige Krise eine des Parlamentarismus wie seinerzeit 1933. Als die Wähler im November 1932 zum letzten Mal frei abstimmen durften, erzielte die NSDAP lediglich 33,5 Prozent der Stimmen. Offiziell etabliert wurde die Hitler-Diktatur erst durch das Ermächtigungsgesetz im März 1933. Dieses wurde von 82 Prozent der Abgeordneten im Reichstag verabschiedet – das deutsche Volk trifft keine Schuld! Über die Abgeordneten des Jahres 1933 und die Abgeordneten des Bundestages 2011, die den sogenannten Rettungsschirm beschlossen haben, ist indes zu sagen: Geschichtslos, gesichtslos, ehrlos. Schon Horaz wußte: Was immer die Herrschenden (Helmut Kohl, Angela Merkel) sündigen, büßen müssen es die Kleinen.

Albert Uphoff, Emsdetten

 

 

Zu: „Der ewige Krieg ums Weib“ von Martin van Creveld, JF 42/11

Hierzulande nicht opportun

Van Creveld mag in mancher Hinsicht Provokateur sein, aber er hebt sich stets weitgehend von der vor allem bei uns vorherrschenden politischen Korrektheit ab. Ist es doch hierzulande nicht opportun, solch deutliche Sprache zu sprechen, ohne sogleich in die rechte Ecke gestellt zu werden.

Hans Demmeler, Memmingen

 

 

Zu: „‘Sonst ist Europa eine Lachnummer’“, Interview mit Egon Bahr & „‘Lebenslüge der Bundesrepublik’“ von Egon Bahr, JF 42/11

Einen Wackelpudding festnageln

Beide Beiträge sind ein typisches Beispiel für unsere heutigen Politiker: Widersprüchlich und wie der Versuch, Wackelpudding mit einem Nagel an der Wand zu befestigen. Das von Bahr vermißte Nationalbewußtsein wurde uns doch spätestens ab den 1970er Jahren systematisch abgewöhnt. Im Gegensatz zu den von ihm genannten Engländern, Franzosen, Spaniern, Polen etc. findet das deutsche Volk aufgrund bestehender Verpflichtung zur Übernahme des Geschichtsbildes der Sieger (siehe Schultze-Rohnhof, „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“) als eigenständiges Völkerrechtssubjekt gar nicht mehr statt.

Daß von deutscher Seite bisher kein ernsthafter Versuch unternommen wurde, die bestehende Feindstaatenklausel aus der UN-Charta zu entfernen, sondern stattdessen den Versicherungen der ehemaligen Siegermächte auf Nichtanwendung derselben zu vertrauen und mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende dieses für Deutschland existentielle Problem offenbar zur Dauereinrichtung werden zu lassen, liegt sicher nicht zuletzt an dem bisher noch ausstehenden Friedensvertrag (wie er nach allen vorausgegangenen Kriegserklärungen erforderlich wäre). Bis wir nicht selbst als Deutsche ein entsprechendes nationales Selbstbewußtsein entwickeln, bleibt die angebliche Souveränität Deutschlands eine Fiktion.

Harald Zang, Coburg

 

 

Zu: „Privilegierte Perspektive“ von Thorsten Hinz, JF 42/11

Hier besteht viel Klärungsbedarf

Lorenz Jäger hat womöglich nur mit dem Rechtssein kokettiert und ist letztlich nach harscher Kritik des BRD-Staatsräson-Papstes Habermas abgesprungen. Einige Kritik des FAZ-Mannes ist dennoch plausibel. Es ist nicht durchdacht, wenn Konservative zwar den westlich-neudeutschen Militärinterventionismus ablehnen, andererseits aber nicht die damit zusammenhängende Dominanz der USA über Deutschland und Europa als Topthema ansprechen. Oder: Konservative bejahen die erweiterte Staatlichkeit der BRD seit 1990. Aber soll man deshalb die kleinstdeutsche Vereinigung als Wiedervereinigung verstehen? Hier ist doch eher das Spannungsverhältnis zwischen selbstzufriedenem Staat und immer noch nicht vollständiger Souveränität einerseits, sowie Nation, Selbstbestimmungs- und Völkerrecht andererseits aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang haben viele Konservative eine freie Verfassung und einen Friedensvertrag längst ad acta gelegt. Von Superpatriotismus kann keine Rede sein, hier irrt Jäger gründlich.

Bleibt als Wahrnehmbares das Eintreten für Humboldtsche Bildungsziele, für eine vernünftige Einwanderung, für Traditionen wie Preußen und die katholische Kirche. Habitus und Rede der Konservativen sind – allein wegen des extrem und einseitig ausgedehnten Volksverhetzungsparagraphen? – defensiv. Aber der Wesensunterschied zur NPD wird nicht honoriert, sondern negativ pointiert als Jammern. Wären Konservative hingegen aktionistischer, würde ihnen dies als Militanz angekreidet. Soll heißen: Es ist eine Debatte über Inhalte, Ziele und Strategien der Konservativen zu führen. Dann hätte der Abschied Jägers Sinn gehabt.

Rudolf Kraffzick, Hainau

 

 

Zu: „Der Sieger kriegt gar nichts“ von Markus Brandstetter, JF 42/11

Eine Biographie mit Verbrechen

Die JUNGE FREIHEIT rezensiert einen Bildband, der das Leben Hemingways anhand von ausführlich kommentierten Fotos schildert. Doch der Band erwähnt nicht, daß Hemingway sich rühmte, als ziviler (!) Reporter 122 Deutsche erschossen zu haben: Er schoß dem Kriegsgefangenen „dreimal schnell in den Bauch und dann, als er in die Knie brach, schoß ich ihm in die Birne (topside), so daß sein Gehirn aus dem Mund kam oder, ich glaube, es war die Nase.“ (Selected Letters, ed. by C. Baker, New York 1981, p. 672, ähnlich S. 601, 697). Was taugt eine Biographie, die das verschweigt?

Die Rezension erwähnt, daß Hemingway ein Angeber und Trinker war. Vielleicht hat er übertrieben oder erfunden. Aber wie wäre ein Mensch zu beurteilen, der sich mit erfundenen Verbrechen brüstet? Und wie ist eine Gesellschaft zu beurteilen, die das akzeptiert?

Dr. Franz Uhle-Wettler, Meckenheim

 

Das Bild ist zu wohlwollend

Es wundert mich, daß der Rezensent in seiner Buchbesprechung ein so wohlwollendes Bild des amerikanischen Schriftstellers Hemingway zeichnet, ohne dabei auf dessen Rolle als Kriegsverbrecher oder die des bekennenden Deutschenhassers einzugehen. Ein Deutscher mit dieser Vita hätte keinen Nobelpreis bekommen, sondern wäre hingerichtet worden oder im Gefängnis verreckt.

Joachim Reuter, Mönkeberg

 

Hemingways Weg war mörderisch

Der Rezensent heroisiert den großen Fischersmann, Großwildjäger und Soldaten – welch eine geschönte Charakteristik Hemingways! Es werden zwar die „vielen Briefe“ erwähnt, die „nur in Auszügen bekannt“ seien. Vergessen scheinen dagegen Hemingways Briefe, in denen er sich mit der Ermordung deutscher Soldaten brüstet und genüßlich die Erschießung eines 17jährigen schildert, der um sein Leben bettelnd vor ihm gekniet habe. Zur Kenntnis zu nehmen ist auch, daß Hemingway als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg nicht einmal einen rechtmäßigen Kombattanten-Status hatte und damit ein Gewehr zum Töten – bei ihm war es Morden – gar nicht in die Hand hätte nehmen dürfen. Entsprechend kann er in Deutschland gemäß Rechtsprechung auch als Mörder und Kriegsverbrecher bezeichnet werden. „Respekt“ verdient Hemingway also wirklich nicht für alles, wie etwa Ihr Autor Brandstetter behauptet. Solch einen unkritischen Artikel wie diesen hätte ich in der JUNGEN FREIHEIT nicht erwartet.

Jelto Burmeister, Geretsried

 

 

Zu: „US-Entschuldigung für Rheinwiesenlager“, JF 41/11

Helfen kann das nur wenigen

Die Wahrheit kommt an den Tag, manchmal erst sehr spät. Bedingt durch die zweimalige Kriegsverwundung hatte ich zum Ende des Zweiten Weltkrieges längere Zeit in Lazaretten verbracht. Eines Tages kam zu uns ein Transport mit „Patienten“, die sehr still und sehr vernachlässigt waren. Erst einige Tage später machte das Wort „Rheinwiesen“ die Runde, das uns bislang unbekannt war. Die Verhältnisse dieses großen Gefangenenlagers unter freiem Himmel waren so unmenschlich, daß auch danach noch lange darüber geschwiegen wurde. Wenn sich jetzt, Jahrzehnte später, die amerikanische Seite dafür entschuldigt, sollte man meinen, daß unsere Gutmenschen das akzeptieren. Doch helfen kann das nur noch sehr wenigen.

Als ich in den Jahren 1960/61 in den USA arbeitete, hatte ich auch amerikanische Familien kennengelernt. Diese leugneten konsequent, daß es auch unter US-Soldaten schlechte Menschen gegeben habe. Daß etwa die US-Führung viele tausend deutscher Gefangener an Frankreich auslieferte, die dann noch viele Jahre Zwangsarbeit leisten mußten, glaubte kein Amerikaner. Und hierzulande? Offenbar muß uns erst das Ausland einen Teil der historischen Wahrheit mitteilen.

Florian Mierzwa, Oerlinghausen

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen