© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

„Der Sack ist zu“
Bundeswehr: Verteidigungsminister Thomas de Maizière schließt Nachverhandlungen beim Stationierungskonzept aus
Marcus Schmidt

Um exakt 18.25 Uhr am Dienstag vergangener Woche war die große Schlacht geschlagen. Um diese Uhrzeit wurde im Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums die letzte Entscheidung für das Stationierungskonzept getroffen, noch in der Nacht wurde fieberhaft an der Druckfassung des Konzepts gearbeitet. Parallel dazu begann Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), die Ministerpräsidenten zu informieren. Am nächsten Tag wurde das Papier, daß Tausende Soldaten und ihre Familien zwingt, ihre Umzugskisten zu packen, vom Kabinett abgesegnet, am Nachmittag präsentierte der Verteidigungsminister die Ergebnisse schließlich der Hauptstadtpresse.

Seitdem herrscht bei den betroffenen Einheiten und Soldaten Aufregung, und seitdem ringen Bürgermeister, Landräte und Ministerpräsidenten um Nachbesserungen oder zumindest Entschädigungen. Grund zur Klage haben vor allem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), der angesichts der Streichung von 10.700 der bislang 26.000 Dienstposten in seinem Bundesland von schmerzhaften Einschnitten sprach. Und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) rief mit Blick auf die Reduzierung der Dienstposten im Freistaat von 50.700 auf 31.000 nach Unterstützung aus Berlin.

Dabei hatte de Maizière schon vor der Bundespressekonferenz unmißverständlich deutlich gemacht, daß es grundlegende Änderungen des Stationierungskonzeptes nicht mehr geben werde: „Der Sack ist zu.“ Von 328 Standorten werden 31 geschlossen. Zudem werden 90 Stützpunkte „signifikant reduziert“, also um mehr als die Hälfte oder um mehr als 500 Dienstposten verkleinert werden. Dadurch werden 33 Standorte soweit abgeschmolzen, daß sie künftig weniger als 15 Soldaten umfassen werden und damit nicht mehr als Standort gelten. Die 185.000-Mann-Armee wird sich damit in Deutschland auf 264 Kasernen, Luftwaffenstützpunkte, Marinebasen und Depots verteilen – die Stützpunkte im Ausland, etwa in Afghanistan, nicht mitgerechnet.

Durch die Reduzierung um 90.000 Dienstposten (einschließlich der Stellen für die Wehrpflichtigen) sinkt die Zahl der Soldaten pro 1.000 Einwohner von 3,4 Soldaten auf 2,4.

In dem Stationierungskonzept spiegelt sich auch die neue Struktur der Bundeswehr: So werden die Inspekteure der Teilstreitkräfte künftig nicht mehr im Verteidigungsministerium angesiedelt ,sondern „in der Fläche“ stationiert. Der Inspekteur des Heeres nimmt mit dem Heereskommando seinen Sitz in Strausberg (Brandenburg), der Luftwaffeninspekteur zieht nach Berlin-Gatow, das Marinekommando nebst Inspekteur nach Rostock und die Inspekteure der Streitkräftebasis und des Sanitätswesens werden in Bonn beziehungsweise
Koblenz angesiedelt.

Eine mit Blick auf das Traditionsverständnis der Armee besonders bemerkenswerte Entscheidung ist die Schließung der Graf-Stauffenberg-Kaserne im württembergischen Sigmaringen. Der dort stationierte Stab der 10. Panzerdivision wird nach Veitshöchheim in Bayern verlegt. „Eine Graf-Stauffenberg-Kaserne schließt man nicht so einfach“, sagte der Verteidigungsminsister. Er werde sich „ganz persönlich“ überlegen, wie mit dem Namen des Hitler-Attentäters in der Bundeswehr weiter verfahren werde.

Die Reaktionen in der Truppe auf das Stationierungskonzept reichten unterdessen von Entsetzen bei den Soldaten, deren Einheiten aufgelöst und deren Kasernen geschlossen werden, bis zur Erleichterung bei denen, die noch einmal davongekommen sind. Doch bei vielen wird die Aufregung über die Entscheidung des Ministeriums bald wieder der Dienstroutine weichen, denn bis in dem letzten der zur Schließung bestimmten Standorte für immer die Bundesflagge eingeholt wird, werden Jahre vergehen. Bis 2017 werde die „große Masse“ der Kasernen geräumt sein, hofft der Minister. Eine durchaus realistische Zeitplanung. Denn auch in der aktuellen Standortliste sind immerhin noch 13 Stützpunkte verzeichnet, deren Schließung bereits bei der Reform 2004 angekündigt wurde.

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