© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Hartes Ringen um Einfluß
Rußland: Hinter den Kulissen arbeitet Putin daran, sein Land als Führungsmacht im eurasischen Raum zu etablieren
Thomas Fasbender

Rußland zimmert weiter am eurasischen Wirtschaftsraum. Es ist Wladimir Putin höchstpersönlich, der das Projekt vorantreibt. Er denkt in langen Zeiträumen. Die westliche Politik betrachtet er mit Skepsis. Vor einigen Jahren hat er den Untergang der Sowjet-union die „größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts“ genannt. Jetzt beschwichtigt er in der Zeitung Iswestija, sein Ziel sei nicht deren Auferstehung, in welchem Kleid auch immer. Denn auch der Westen blickt skeptisch.

Bereits Mitte Oktober haben acht GUS-Staaten in Sankt Petersburg ein Freihandelsabkommen unterzeichnet: Rußland, Weißrußland, Kasachstan, die Ukraine, Kirgistan, Tadschikistan, Armenien und Moldawien. Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan wollen sich bis Jahresende entscheiden.

Über zehn Jahre haben sie gefeilscht. Die Einigung kam schließlich unerwartet zügig und ist letztlich das Ergebnis der erfolgreichen im Jahr 2010 installierten Zollunion zwischen Rußland, Kasachstan und Weißrußland. Allein im ersten Halbjahr 2011 stieg der Handel innerhalb der GUS um fast die Hälfte.

Für Putin ist die Eurasische Union das Bindeglied zwischen Europa und der dynamischen asiatisch-pazifischen Region. Moskau kann dabei nur gewinnen. Denn jeder neue Pipeline-Kilometer in Asien macht Rußland weniger abhängig von westeuropäischen Energiekunden.

Mehrere Ebenen der Integration und Einflußnahme existieren: die 1991 gegründete Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Zollunion, jetzt die neue Freihandelszone. Im Fernen Osten dient die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) dem Kampf gegen Terrorismus und für kollektive Sicherheit. China ist Mitglied; Iran, Indien und Pakistan haben Beobachterstatus.

Der nächste Schritt, die Eurasische Wirtschaftsunion, soll bereits im Dezember erfolgen. Bis dahin muß Moskau noch das Restmißtrauen der eurasischen Partner vor russischer Dominanz abbauen.

Auch der bevorstehende Rückzug der USA aus dem Mittleren Osten – Irak, Afghanistan – könnte Putin eine zusätzliche Alternative bieten. Er wäre die Steilvorlage, sich als Stabilitätsgarant in Zentralasien in Stellung zu bringen. Eurasische Großmacht zwischen China und Iran – eine Option ganz nach Putins Geschmack.

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