© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Sie küßten und sie schlugen sie
Euro-Krise: Verordnete Eigenkapitalerhöhung und „freiwilliger“ Schuldenschnitt beeinträchtigen Bankenfreiheit
Bernd-Thomas Ramb

Die Euro-Rettungspolitiker sorgen sich um die Banken. Zuvor hatten sie lange Zeit die Kreditinstitute als Herd heimtückischer Spekulationen gegen den Euro ausgemacht, gleichzeitig aber schwankende Banken mit Steuergeldern am Leben erhalten, die hilflosesten wie die HRE sogar vollständig unter Staatskontrolle gestellt. Ein faszinierendes Wechselbad der Gefühle. Die staatlichen Akteure bestimmen aber nur einen Teil der Bankendiskussion. Auch das Volk kümmert sich um seine Banken, besonders spektakulär durch Protestumzüge und Camping-Belagerungen; vielfach nach dem US-Vorbild der „Occupy Wall Street“-Bewegung, die allerdings mit der Euro-Problematik nur wenig zu tun hat.

Der Unmut auf den deutschen Plätzen ist selten mit der Kritik am Euro-Währungssystem plakatiert, auch wenn das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) belagert wird. Die Macht der Banken schlechthin zu brechen ist das Ziel, wie und in welcher Form auch immer. Mit ihrem diffusen Protest entwickeln sich die naiven Aktivisten allerdings zu nützlichen Helfern der Politik. Die Beendigung der Bankenfreiheit entspricht auch der Zielsetzung der Euro-Krisenbewältiger, wenngleich ihnen andere Methoden im Sinn stehen als den jungen Allround-Weltverbesserern.

Offiziell sieht der jüngste Brüsseler Euro-Rettungsgipfel vor, die Banken durch den griechischen Schuldenschnitt in die Euro-Rettungspflicht zu nehmen und ihnen gleichzeitig dafür Finanzierungshilfe anzubieten, aber nur wenn der staatliche Helfer Mitwirkungsrechte bei der Bankenverwaltung erhält – also nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche. Das ambivalente Verhältnis zwischen Regierung und Banken hat seine Vorgeschichte und eine tiefere Ursache: den Euro. Mit der politisch konstruierten Vereinigung der nationalen Währungen zum Euro wurde formal ein einheitlicher Finanzmarkt für Staatsanleihen der wirtschaftlich unterschiedlichsten Länder erzwungen. Deren Staatsanleihen werden seitdem nicht nur in der selben Währung ausgestellt, sie suggerierten zunächst auch die gleiche Sicherheit der Rückzahlung. Damit waren Risiko und Zinssatz für alle Länder gleich – ein Strom scheinbar billigen Geldes ergoß sich in die zuvor an hohe Zinssätze gewöhnten EU-Südländer. Erst mit dem zunehmenden Mißtrauen in die Beständigkeit dieser Vermutung (etwa ab 2005) fingen die Zinssätze wieder an, merklich auseinanderzulaufen. Derzeit kann Wolfgang Schäuble seine Bundesschatzbriefe mit Zinsen unterhalb der Euro-Inflationsrate auf dem Markt absetzen, sein italienischer Amtskollege muß hingegen über sechs Prozent bieten, um noch Käufer zu finden.

Die europäischen Banken haben auf die steigende Unsicherheit, die sich insbesondere im Kursverfall der Staatsanleihen der Wackelstaaten auf dem internationalen Wertpapiermarkt offenbarte, unterschiedlich reagiert, je nach ihrer individuellen Einschätzung der künftigen Entwicklung und nach ihrer eigenen Entscheidung, welches Risiko die Bank eingehen will. Das hat dazu geführt, daß einige Banken beispielsweise noch sehr viele Griechenland-Papiere im Tresor haben. Andere Banken (oder Versicherungen) haben sich unter Inkaufnahme erheblicher Verluste entschlossen, die Risikopapiere rechtzeitig abzustoßen. Diese freie unternehmerische Entscheidung mit einer tatsächlichen Privatisierung des Gewinn- wie des Verlustrisikos wird nun von der Politik unterlaufen.

Ob der einheitlich vorgeschriebene nominale Schuldenschnitt von 50 Prozent die Banken, die noch viele Griechenland-Bonds besitzen, langfristig begünstigt oder benachteiligt, steht nicht von vornherein fest. Zunächst ist eine enorme Wertberichtigung notwendig, die das Eigenkapital der Banken aufzehrt. Das betrifft insbesondere die griechischen Banken, die inländische Schuldverschreibungen in Höhe von 78 Milliarden Euro halten. 39 Milliarden Bilanzverlust wären durch das Euro-Rettungspaket sofort aufzufangen. Die griechischen Banken müßten sich dann eigentlich künftig der direkten Aufsicht des Euro-Rettungsfonds EFSF unterwerfen. Im anderen Extrem verzichtet etwa die Deutsche Bank wohlweislich auf jede staatliche Unterstützung, hat aber auch vorher mit Verlusten ihre meisten Griechenland-Papiere abgestoßen.

Für die beschnittenen Restschulden will der Euro-Rettungsfonds einheitlich neue Laufzeiten und neue Zinssätze aushandeln sowie eine beschränkte Rückzahlungsgarantie versprechen. Schon fängt die Spekulation wieder an. Können die Banken diese Papiere vorzeitig abstoßen (selbst mit Verlust), wenn sie diesem Garantieversprechen mißtrauen? Wenn der Restwert des alten Griechenland-Papiers am Ende doch nur mit nochmals 50prozentigem Abschlag zurückgenommen wird, hat der Gläubiger insgesamt 75 Prozent verloren. Wohl der Bank, die schon längst mit 60 Prozent Abschlag das Papier verkauft hat. Sie hat zwar keinen Gewinn gemacht, aber den Verlust minimiert. Auch das gehört zum System der freien Finanz-Marktwirtschaft.

Den Euro-Rettern wäre es dagegen am liebsten, alle Banken für „systemrelevant“ zu erklären. Mit der Vorgabe willkürlicher Eigenkapitalquoten und der Hoffnung, daß möglichst viele dazu der staatlichen Hilfe bedürfen, sind sie auf dem Weg zur monopolistischen Euro-Staatsbank. Mit verstaatlichten Banken läßt sich die Kreditvergabe an notleidende Euro-Staaten dann leichter manipulieren. Auf der Strecke bleibt die Effizienz der Kapitalverwaltung – zu Lasten der Sparer, die ihr Geld den Banken anvertrauen. Die Beschneidung oder sogar Aufhebung der Bankenfreiheit mag dem aktuellen Staatsschuldenmanagement dienlich sein, langfristig schädigt dies alle Bürger, die Banken für ihre Zukunftsabsicherung brauchen – in ganz Europa.

 

EU verlangt mehr Eigenkapital

Der vorige Woche auf dem Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarte 50prozentige Schuldenschnitt für das insolvente Griechenland kann zahlreiche europäische Banken in Probleme stürzen. Auch die Nachwirkungen der 2008 offen ausgebrochenen Weltfinanzkrise sind längst noch nicht bewältigt. Deswegen sollen die Kreditinstitute in der EU mehr Geld für Notsituationen zurücklegen. Sie müssen daher bis Mitte kommenden Jahres ihren Risikopuffer – die sogenannte Kernkapitalquote – auf neun Prozent erhöhen. Bislang war dafür ein Zeitraum bis 2019 vorgesehen. Laut EU-Angaben sind dafür voraussichtlich etwa 106 Milliarden Euro nötig. Die Aufstockung des Eigenkapitals kann durch Finanzmittel der Eigentümer (Aktionäre) oder durch Investitionen des privaten Kapitalmarktes geschehen. Können sich die betroffenen Banken nicht auf diese Weise refinanzieren, dann sollen laut dem Willen der EU die jeweiligen nationalen Regierungen (also die Steuerzahler) einspringen. Klappt auch dies nicht, dann soll der sogenannte Euro-Rettungsfonds EFSF die Mittel bereitstellen.

Foto: Eingang zum Börsenhandelsaal in Frankfurt: Einige besonders risikofreudige Banken haben noch sehr viele Griechenland-Papiere im Tresor

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