© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Hoch im Baum
Jürgen Bergmann hat mit seiner Kulturinsel Einsiedel eine hölzerne Spieloase geschaffen
Paul Leonhard

Jürgen Bergmann ist ein Tausendsassa. Im äußersten Osten der Bundesrepublik, in Zentendorf nahe Görlitz, hat der gestandene Mann mit grauem Pferdeschwanz und dem verschmitzten Lächeln eines kleinen Jungen ein Kleinod geschaffen, die „grüngeringelte Kulturinsel“ Einsiedel. Umgeben von schattigen Wäldern und lichten Wiesen – je nach Betrachtungsweise – enstand ein Ort für die Seele oder eine Insel für verrückte Abenteuer.

Es ist ein ungewöhnlicher Freizeitpark: keine Achterbahnen, Karussells oder Riesenräder. Dafür aber spannende Schatzsucherspiele, endlose Tunnel, wilde Schaukeln und lebende Tiere. Und eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen zieht sich durch das Kulturinseljahr. Dazu zählen die Feuerspiele zur Walpurgisnacht, die hier „Komplexum mit Pyromanum“ heißen. Im Juni gibt es ein Kinderspektakulum und ein Bierradlum und das Mystum-Festival, die Nacht der verbotenen Spiele. Der jährliche Höhepunkt ist aber Anfang September das zweitägige Folkorum, ein Festival der Kulturen. Es folgen die Einheitsfeierei, ein Baumhaus-Bauwettbewerb und das Spielum.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten hatte Bergmann, der aus dem Zittauer Gebirge stammt, einen Einsiedlerhof an der Lausitzer Neiße erworben, um seine Ruhe zu haben und alternative Spielgeräte zu bauen. Daß daraus eine inzwischen deutschlandweit bekannte Oase entstehen sollte, auf der sich heute Kunst und Kultur abseits von Stadt und Dorf begegnen, ahnte er damals nicht. Mit der deutschen Wiedervereinigung begann auch der Siegeszug von Bergmanns selbstgefertigten hölzernen Spielgeräten. Die Phantasiewelten voller Labyrinthe, Kletterwege und geheimnisvoller Verstecke begeistern inzwischen europaweit Kinder und ihre Eltern. In Nizza baute er ein Dorf aus sechs durch ein Netztunnelwerk verbundenen Baumhäusern, in Brüssel entstand eine hölzerne Burgmauer mit langem Wehrgang sowie Sandfähren, Rutschen, Kletternetz und Vogelnestschaukel.

Mit der spielerischen Verbindung zwischen Kultur, Kunst und Natur liegt Jürgen Bergmann im Trend. Viele Menschen sehnen sich nach ihrer Kinderzeit, nach Phantasiewelten und wenigstens ein bißchen Abenteuer. Bergmann macht mit seinen 70 Mitarbeitern diese Kindheitsträume wahr. Und natürlich müssen alle neuen Ideen zuvor in Einsiedel getestet werden. So ist neben dem Unternehmen eine große Spiellandschaft mit Piratenschiff, Zauberschloß, schwankenden Brücken und gut 450 Metern Tunneln und Geheimgängen samt einem Weidenlabyrinth und skurrilen Skulpturen entstanden.

Im Juni 2005 öffnete in Einsiedel ein Baumhaushotel. Acht Baumhäuser stehen in acht bis zehn Metern Höhe im Wald des Abenteuerfreizeitparks. Die Einrichtung ist spartanisch, aber jedes Haus verfügt über Sitzecke, Schlafnische und eine Minitoilette, einige sogar über eine Kaltwasserdusche. Und morgens sind die Bewohner die ersten, die in Deutschland die Sonne aufgehen sehen. Bergmanns neueste Idee ist ein extravagantes Baumbett.

Über mangelnde Anerkennung kann er nicht klagen. Die Deutsche Bank und die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ prämierten die Kulturinsel als „Ausgewählten Ort 2009“. Noch mehr aber freut sich Jürgen Bergmann über den wachsenden Besucherstrom in eine Region, in der sich eigentlich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

www.kulturinsel.de

Foto: Erstes deutsches Baumhaushotel: Da werden die Träume kleiner, aber auch großer Jungen wahr

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