© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Brüsseler Goldfinger
Euro-Krise: Ein Verpfänden der Bundesbankreserven wäre nicht nur kriminell, nsondern auch der fi nanzielle Selbstmord Deutschlands
Marco Meng

Gerade einmal eine Woche war der Plan alt, mit Hilfe eines risaknten „Kredithebels“ den Euro-Rettungsfonds EFSF auf eine Billion Euro zu erhöhen, schon reichte auch diese unvorstellbare Summe nicht mehr. Auf dem G-20-Gipfel in Cannes war daher von Frankreich, Großbritannien und den USA vorgeschlagen worden, die Währungs- und Goldreserven der Euro-Staaten beim Währungsfonds IWF in einem speziellen Fonds zusammenzufassen. Unter Umgehung der Bundestagsbeschlüsse sollte damit die Haftung Deutschlands für die Euro-Rettung noch einmal um mehr als 15 Milliarden Euro erhöht werden, indem zunächst die sogenannten IWF-Sonderziehungsrechte der Bundesbank an eine Zweckgesellschaft des EFSF verpfändet würden. Nur ein Veto Angela Merkels verhinderte die neuesten Euro-Rettungspläne – vorerst.

Die IWF-Sonderziehungsrechte (SZR) sind eine Art Kunstwährung, die ein Anrecht auf die echten Währungsreserven bei nationalen Notenbanken geben (JF 41/09). Die SZR sind Vermögen in der Bilanz der Bundesbank. Als der französische Präsident Nicolas Sarkozy den EFSF mit einer Banklizenz ausstatten wollte, um so unbegrenzt Mittel der Europäischen Zentralbank (EZB) zu nutzen, stellte sich Kanzlerin Angela Merkel erstmals dagegen – wohl wegen des Nein der Bundesbank: „Das wäre Staatsfinanzierung über die Notenpresse und aus meiner Sicht ein fataler Weg. Bei jeder wie auch immer gearteten Beteiligung der Euro-Notenbanken würden über deren Bilanzen Risiken intransparent und demokratisch nicht legitimiert zwischen den Steuerzahlern der Länder umverteilt“, argumentierte Bundesbankpräsident Jens Weidmann. „Würde sich die Notenbank der Finanzpolitik unterordnen, könnte sie ihren Auftrag, die Geldwertstabilität sicherzustellen und für eine niedrige Inflation zu sorgen, nicht mehr erfüllen.“ Die Bundesbank ist inzwischen die einzige ernstzunehmende Institution in Europa, die sich noch gegen diese Form der Staatsfinanzierung über die Notenpresse wehrt, die durch die Euro-Verträge eigentlich ohnehin verboten ist.

Die SZR-Trickserei wäre ein weiterer glatter Rechtsbruch und nur der Einstieg, sich auch des Goldes und der Devisen der Bundesbank zu bemächtigen. Doch diese Reserven werden von der Bundesbank nur verwaltet, sie gehören nicht der Bundesregierung, sondern den deutschen Bürgern. Der Angriff auf die US-Goldreserven war 1964 noch eine britische Kino-Vision, die James Bond in letzter Minute verhindert.

Die heutigen „Goldfinger“ sind hingegen bittere Realität, die kein „007“-Agent stoppen kann. Der längst nicht ausgestandene Konflikt (der italienische EZB-Vertreter Lorenzo Bini Smaghi hat schon im Oktober einen internen Vorstoß auf die Gold- und Devisenreserven gemacht) stellt einen weiteren Angriff auf das deutsche Volksvermögen dar. Die Bundesbank beharrt zwar darauf, daß die SZR beim IWF nur ihr, nicht der Bundesregierung oder der EZB gehören. Ihren Sitz und ihre Stimme im IWF würde aber gerne die EZB übernehmen und damit die Bundesbank de facto entmachten, um so auch die deutschen Reserven für den Euro zu opfern.

Die SZR-Kontroverse offenbart, daß weder der 440 Milliarden Euro schwere EFSF noch seine „Hebelung“ den Finanzmarkt beeindruckt – am Montag stieg die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen erstmals seit der Euro-Einführung über die Schwelle von 6,5 Prozent. Die EZB kauft daher weiter Italien-Bonds, um die Zinsen für Rom zu drücken. Die Bundesbank versucht durch Kreditlinien die schwächelnden Schuldenstaaten zu stützen: „Die Kreditverlagerungen nach Südeuropa wirken ähnlich wie Euro-Bonds“, warnt Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts. 2007 war der Bestand dieser Target-II-Salden noch vernachlässigbar, inzwischen ist er auf über 460 Milliarden Euro gestiegen.

Dennoch wächst die südliche Misere weiter. Im vergangenen Jahr summierten sich die Leistungsbilanzdefizite Griechenlands, Portugals, Spaniens und Italiens auf 110 Milliarden Euro. Kein noch so großer „Rettungsschirm“ mit Hebel löst dieses Verschuldungsproblem, denn die Heterogenität der Euro-Staaten ist historisch gewachsen.

Selbst ein völliger Zugriff auf die Goldreserven brächte nicht viel, denn diese decken nur noch einen Bruchteil der Verschuldung. Italien besitzt derzeit Gold mit einem theoretischen Gegenwert von etwa 95 Milliarden Euro – selbst bei einem Teilverkauf würde aber der Goldpreis sofort weltweit zusammenbrechen. Die italienischen Goldreserven decken also nicht einmal sechs Prozent der 1,9 Billionen Euro Staatsschulden. Die deutschen Goldreserven machen laut Bundesbank derzeit einen Wert von etwa 132 Milliarden Euro aus, was nicht einmal sieben Prozent der deutschen Staatsverschuldung von zwei Billionen Euro entspricht.

Die USA besitzen angeblich ein offizielles Goldvermögen von 392 Milliarden US-Dollar, das sind keine drei Prozent der offiziellen Bundesschuld von über 14 Billionen Dollar. Die Regierungen können über die eigenen Goldreserven in der Regel nicht selbst bestimmen. Die Vereinbarung unter den europäischen Zentralbanken (CBGA III) erlaubt zudem bislang nur begrenzte Goldverkäufe von maximal 400 Tonnen pro Jahr und 2.000 Tonnen innerhalb von fünf Jahren.

Zudem basiert unser Geldsystem seit Abschaffung des Goldstandards auf „Fiat Money“ das per Gesetz Zahlungsmittel ist und in beliebiger Höhe geschaffen werden kann. Der Bezug zur Wirtschaftsleistung ist längst obsolet – die Geldmenge beträgt ein Mehrfaches sämtlicher Güter und Dienstleistungen zusammen. Das deutsche Gold lagert ohnehin seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem Großteil nicht mehr in Deutschland, sondern bei der Bank of England in London, der Banque de France in Paris und vor allem in einem Tresor der New Yorker Federal Reserve – aus „historischen Gründen“, so die offizielle Begründung der Bundesbank. Die Lagerung im Ausland sei „kostengünstiger“ als der Bau zusätzlicher Tresoranlagen in Deutschland.

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