© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Der Dreck muß weg
Unbedachter Moment: Eine Putzfrau zerschrubbt eine Kunstinstallation von Martin Kippenberger
Thorsten Thaler

Alles passiert zweimal, sagte einst Karl Marx, zuerst als Tragödie, das andere Mal als Farce. Mag sein, daß es nicht unbedingt eine Tragödie war, als vor genau 25 Jahren eine nichtsahnende Putzfrau in einem Kölner Museum eine Installation von fünf Kilogramm Butter – die sogenannte Fettecke – entfernte und damit ein als Kunstwerk gemeintes Arrangement von Joseph Beuys jäh zerstörte. Aber was sich jetzt im Dortmunder Ostwall-Museum abgespielt hat, liefert zweifellos die grelle Farce dazu.

Wieder ging es um eine Putzfrau, die in bieder-beflissenster Weise einige kalkige Schmutzflecken aus einem Gummitrog schrubbte – und damit ahnungslos ein im wahrsten Sinne des Wortes teures Kunstwerk zumindest schwer beschädigt hat, nämlich die Installation „Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen“ des Künstlers Martin Kippenberger (1953–1997). Es war eine Leihgabe, die Versicherungssumme soll 800.000 Euro betragen.

Kippenberger, der vorrangig fiktive U-Bahn-Eingänge und Lichtschächte schuf, genießt heute einen großen Nachruhm, jedes Detail seines Schaffens ist gleichsam heiliggesprochen. Die Putzfrau nun dachte offenbar einzig und allein an ihre Aufgabe und reinigte den schmutzigen Bottich, der unter dem etwa mannshohen Gebilde aus Holzlatten aufgestellt ist, von jenen weißlichen Kalkflecken, die Überreste von herabgetropftem Wasser darstellen sollten und zu der Kunstinstallation gehörten.

Jetzt streiten sich Museum und Reinigungsfirma, wer für die Versicherungssumme aufkommen muß. Man habe die Frau, erklärt die Museumsleitung, strikt angewiesen, bei ihrer Arbeit „unbedingt einen Abstand von mindestens 20 Zentimetern zu den Kunstwerken einzuhalten“. Die Dortmunder Putzfirma wiederum spricht von einem „unbedachten Moment“, die Reinigungskraft selber sei „fix und fertig“.

Allmählich wird es auffällig: Museen und andere öffentliche Räume sind für Putzfrauen hochgefährliches Gelände, von dem sie lieber die Finger lassen sollten. Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen, anderswo sind sie hochwillkommen. Sollen die Kulturverwalter ihre Sachen doch selber sauberhalten. Dann klappt’s auch mit den Kunstwerken.

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