© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Grüße aus Bozen
Licht und Schatten
Hans Gernheim

Manchmal scheint sich auch in Südtirol das Wort von Karl Marx zu bewahrheiten, wonach sich Geschichte immer zweimal ereignet: einmal als Tragödie und einmal als Farce. In diesen Tagen zeigt sich dies an einem 150jährigem Jubiläum: diesmal nicht der Einigung Italiens, die an Südtirol außer einigen Polemiken spurlos vorüberging, sondern eines an sich eher harmlosen Ereignisses, der Einführung der Gasbeleuchtung in Bozen im Jahr 1861.

Diese gebotene Modernisierung der städtischen Beleuchtung veranlaßte den damaligen deutschfreiheitlichen Bozner Bürgermeister Joseph Streiter, das „Neue Licht“ in einem symbolischen Umzug als Wegbereiter der Moderne gegen seine katholisch-konservativen Gegner anzupreisen. Das „Bozner Lichtfest“ gilt als der Beginn des Kulturkampfes in Tirol und sorgte damals für Aufsehen bis nach Wien und Berlin.

Am 10. November erinnerte der Museumsverein Bozen an dieses denkwürdige Jubiläum in einer kleinen Feierstunde. Im Gegensatz zum kulturkämpferischen Tenor des 19. Jahrhunderts verlief die Jubiläumsfeier harmonisch, und alle Sprecher erinnerten an die Bedeutung, die Licht und saubere Energie auch für die heutige Zeit habe.

Weniger harmonisch geht es in der aktuellen Energiepolitik derzeit zu. Südtirol ist ein energiepolitisches Mittelgewicht, aufgrund der zahlreichen Wasserkraftwerke, die in vergangenen Jahrzehnten ausschließlich durch italienische Stromriesen geführt wurden. Diese Kraftwerke in einen Südtiroler Energiekonzern einzubringen, war seit jeher das Ziel der Südtiroler, und die energiepolitische Unabhängigkeit von Italien schien gerade in diesen Tagen zum Greifen nahe: Die Südtiroler Energiegesellschaft SEL AG verkündete vor wenigen Tagen eine Einigung mit dem italienischen Stromriesen Edison, der alle Kraftwerke Südtirols an die SEL abgeben würde.

Einen Strich durch diese Rechnung könnte ein Korruptionsskandal machen, der ausgerechnet in dieser delikaten Verhandlungsphase die gesamte Führungsspitze der SEL den Posten kostete. Zum Katzenjammer der regierenden Südtiroler Volkspartei, der die SEL-Spitze angehört, gesellt sich die Freude der politischen Opposition. Der Tragödie des „Lichtfestes“ von 1861 und dem dadurch angestoßenen Kulturkampf scheint die Farce einer verspielten energiepolitischen Unabhängigkeit zu folgen, die einige verantwortungslose Manager durch ihr Fehlverhalten verursacht haben.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen