© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Frisch gepresst

Autark. Wir leben in satten Zeiten, trotz Wirtschaftskrise sind wir passabel abgesichert, keiner kann uns Berufswege aufzwingen, ein starres gesellschaftliches Korsett existiert nicht mehr. Woher Zivilisationsskepsis und Kulturpessimismus, wo wir doch heute mehr aus dem vollen schöpfen können denn je? FAZ-Redakteur Jan Grossarth hat Menschen aufgesucht, die sich aus dem üblichen Leben zwischen Büroalltag, Supermarkt und Freizeit verabschiedet haben und sich als Einzelgänger, meist aber in Gemeinschaften ihren eigenen kleinen Planeten geschaffen haben, auf dem sie ebenso selbstbestimmt wie weitestgehend selbstversorgt existieren. Leute, die „Zahnzusatzversicherung und Verbeamtungsurkunde über Bord“ geworfen haben und – aus religiösen, ideologischen oder lebenspraktischen Gründen – alternative Lebenswege eingeschlagen haben. Grossarths zugewandte, jedoch nicht unkritische Reportagereise führt in 13 Stationen von einem menschenkotkompostierenden Aussteigerpärchen in der Uckermark, einem Heidelbeerzüchter in der Oberpfalz über eine klösterliche Gemeinschaft mitten in Köln zu einem Leben ohne Geld in München. Sind die verrückt? Oder sind es nicht vielleicht doch wir anderen? (ek)

Jan Grossarth: Vom Aussteigen und Ankommen. Besuche bei Menschen, die ein einfaches Leben wagen. Riemann Verlag, München 2011, gebunden, 320 Seiten, 18,95 Euro

 

Jagdflieger. In gewohnt ansprechender Aufmachung, präzise kommentiert und reich bebildert setzt Kurt Braatz mit der Tagebuch-Edition des Jagdfliegers Günther Josten (1921–2004) seine Porträtreihe zur Geschichte der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg fort. Josten, am 2. April 1945 noch mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet für zwanzig Abschüsse sowjetischer Kampfflugzeuge, die dem Thüringer Pfarrerssohn allein seit Februar im Luftraum über Ost- und Westpreußen glückten, hat ein Tagebuch hinterlassen, das, wie Braatz und sein Mitherausgeber Wilhelm Göbel bemängeln, „ohne eine Selbstdistanz“ sei. Man kann sie nur zu der editorischen Entscheidung beglückwünschen, durch Verzicht auf Eingriffe in den Text der Versuchung nicht nachgegeben zu haben, Josten zum „Helden ohne Häßlichkeiten“ zu stilisieren oder ihn dem moralischen Hochmut der Nachgeborenen auszuliefern. (ob)

Günther Josten: Gefechtsbericht. Kriegstagebücher 1939–1945. Kommodore in der Starfighter-Krise. Neunundzwanzigsechs Verlag, Moosburg 2011, 336 Seiten, Abbildungen, 39,80 Euro

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