© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Kampf gegen islamistischen Terror als Vorbild
Rechtsextremismus II: Die Diskussion über die politischen Konsequenzen aus der Mordserie und die Zukunft der Sicherheitsbehörden ist voll entbrannt
Marcus Schmidt

Am Dienstag erhoben sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, um der Opfer der rechtsextremistischen Mordserie zu gedenken. In einer gemeinsamen Erklärung aller Bundestagsfraktionen – die Union gab hierfür extra ihre Vorbehalte gegenüber der Linkspartei auf – forderten die Parlamentarier eine rasche Aufklärung der Morde und eine konsequente Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Verbot der NPD zu überprüfen. „Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muß der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden“, fordern die Abgeordneten weiter.

Die sich anschließende Bundestagsdebatte über die „Mordserie der Neonazi-Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden“ war der bisherige Höhepunkt des bisweilen hilflos wirkenden Agierens der Politik angesichts von neun ermordeten Einwanderern und einer Polizistin. Häufig wurde dabei in den Tagen seit Bekanntwerden der Hintergründe der Mordserie vor Aktionismus gewarnt – und dennoch sieht vieles genau danach aus.

Auf einer eilig nach Berlin einberufenen Konferenz berieten am Freitag vergangener Woche die Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern gemeinsam über Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden. Denn niemand kann bislang die Frage beantworten, warum die Täter jahrelang unentdeckt morden und rauben konnten. An erster Stelle des vom Bundesinnenministerium erstellten Maßnahmenkataloges steht die Einrichtung eines „Abwehrzentrum Rechtsextremismus“, das nach dem Vorbild der Terrorabwehrzentrale die Arbeit der Sicherheitsbehörden koordinieren soll und bei Gefahr ein gemeinsames Handeln ermöglichen soll. Auch die Ankündigung, eine sogenannte „Verbunddatei Rechtsextremismus“ einzurichten auf die Polizei und Verfassungsschutz gleichzeitig zugreifen können, nimmt Anleihen beim Kampf gegen den islamistischen Terror. An Dateien, in denen Daten und Namen von Rechtsextremisten gespeichert sind, mangelt es bisher schon nicht. „Es gibt viele Dateien, jeder hat welche“, kennzeichnete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach dem Krisengipfel das Problem. Die Verbunddatei soll die bislang fehlende Verknüpfung der Dateien nun beheben.

Für breite Debatten dürften die Pläne sorgen, die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden zur Speicherung von Daten zu erweitern und die Speicherfristen zu verlängern. Bislang werden personenbezogene Daten über extremistische und militante Bestrebungen nach fünf Jahren gelöscht. So im Fall der 1998 wegen des Baus von Rohrbomben untergetauchten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die nach der Verjährung im Jahr 2003 nicht mehr zur Fahndung ausgeschrieben waren. Die Behörden standen daher bei Böhnhardt und Mundlos teilweise ohne Akten dar. Zudem soll die Unterteilung in gewaltfreie und gewalttätige Rechtsextremisten abgeschafft werden, da die Übergänge hier immer häufiger fließend seien.

Für die Struktur des Verfassungsschutzes aus 16 Landesämtern und dem Kölner Bundesamt werden die Pannen im Zusammenhang mit dem Abtauchen der Terrorzelle zunächst wohl keine Konsequenzen haben. Verschiedentlich vorgetragene Forderungen nach einer Zusammenlegung einzelner Landesämter liefen bislang ins Leere. Statt dessen könnten dem Bundesamt „Durchgriffsrechte“ auf die Landesämter eingeräumt werden. Schon lange beklagen die Verfassungsschützer des Bundes, daß sie nicht frei auf Daten der Landesämter zugreifen können.

Für reichlich Diskussionsstoff dürfte ein möglicher neuer NPD-Verbotsantrag sorgen, der nun von einer eigenen Arbeitsgruppe geprüft wird. Friedrich ließ keinen Zweifel daran, daß dies nur erfolgversprechend sei, wenn die von den Verfassungsschutzämtern eingesetzten V-Leute abgeschaltet werden. Doch haben die Sicherheitsbehörden gerade in den vergangenen Tagen immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig V-Leute bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus seien.

Ganz andere Sorgen hat der frühere Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy (SPD). Er schlug den Begriff „Döner-Morde“ zur Wahl des Unworts des Jahres vor.