© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Spanische Megablase
China: Faule Immobilienkredite drohen zu platzen / Neue Probleme für die Weltwirtschaft?
Albrecht Rothacher

Mit mehr als 3.200 Milliarden Dollar an Auslandsguthaben sollte China als Hauptgläubiger der Welt eigentlich keine Schuldenprobleme haben. Tatsächlich könnte aber die gigantische innere Verschuldung in den nächsten ein bis zwei Jahren schlagend werden. Es handelt sich im wesentlichen um Schulden der Kommunen, die diese – da sie selbst direkt keine Kredite aufnehmen oder Anleihen begeben dürfen – in den letzten zwei Jahren über undurchsichtige Finanzgesellschaften auf Geheiß des Zentralstaates zum Bau von Straßen, Bahnlinien, Brücken, Krankenhäusern, Sportstadien, Flugplätzen oder Verwaltungspalästen verwendet haben. Die meisten Projekte sind allerdings so unrentabel, daß sie nicht einmal den Zinsdienst für ihre Finanzierung erwirtschaften, von einer Tilgung als Schuldendienst ganz zu schweigen.

Wie in Griechenland, so sind auch in China korrekte Haushaltsziffern Glückssache. Offiziell beträgt die Staatsschuldenquote 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das Haushaltsdefizit nur 2,5 Prozent. Die Schulden der Gebietskörperschaften machen laut chinesischem Rechnungshof noch einmal 27 Prozent (1.650 Milliarden Dollar) aus. Tatsächlich aber glauben viele Analysten, daß unter Einrechnung der Schattenhaushalte und der kommunalen Finanzgesellschaften die öffentliche Verschuldung 70 bis 80 Prozent des BIP beträgt – also dem Niveau Deutschlands entsprechend. Gut 30 Prozent dieser Kredite gelten als ausfallgefährdet.

Die Städte haben im korrumpierenden Verbund mit der Bauwirtschaft einen Großteil der Gelder zur Erschließung neuer Wohn- und Industrieviertel in Büropaläste und Luxushotels gesteckt, denn der Verkauf der Nutzungsrechte des weiter staatseigenen Grund und Bodens ist ihre einzige Finanzierungsquelle. Um ihre Einnahmen zu steigern, taten sie alles, um die Immobilienspekulationsblase weiter anzuheizen. So verdreifachten sich die Häuser- und Grundstückspreise in Schanghai, Wuhan und Kanton binnen eines Jahrzehnts. Gebaut wurde nur, weil die Objekte schon im Folgejahr zehn Prozent mehr wert waren. Wie in der spanischen Immobilienblase wurde überteuert am Bedarf vorbeigebaut. Als Ergebnis stehen viele der kommunal finanzierten Großprojekte und Viertel nunmehr unverkäuflich leer.

Wird es die Partei wieder richten, die schon einmal 335 Milliarden Dollar fauler Schulden – damals hatten marode Staatskonzerne und Agrarkreditgenossenschaften das Geld verpulvert – auf Kosten der Steuerzahler und Sparer bei den Staatsbanken entsorgen ließ? Diesmal könnte es sich wieder um eine ähnliche Größenordnung handeln. Genannt werden Beträge von 210 bis 320 Milliarden Dollar – in etwa den Gesamtschulden Griechenlands entsprechend.

Das Problem der Chinesen ist, daß dieser Schub an Liquidität die Inflation, die bereits 6,5 Prozent ausmacht, anheizen würde und die Verflüssigung ihrer Auslandsreserven, die in US-Schatzanweisungen angelegt sind, den Yuan-Kurs weiter erhöhen würde. Das verteuerte die chinesischen Exporte, denen der zunehmende Facharbeitermangel bereits zu schaffen macht. Wegen jährlicher Lohnerhöhungen von zehn Prozent wandert die Billigproduktion bereits nach Vietnam, Indonesien, Bangladesch und Indien ab.

Gleichzeitig hat die chinesische Zentralbank (PBC) zur Inflationsbekämpfung die Vergabe von Neukrediten empfindlich verknappt. Das bremst die Konjunktur und erhöht die Pleitegefahren in der überhitzten Baubranche. Doch die fleißigen Chinesen sparen weiter wie die Weltmeister. Die Sparquote liegt bei 52 Prozent des BIP. Die privaten Haushalte sparen 39 Prozent ihres Einkommens: hauptsächlich für die Altersvorsorge, die Erziehung der Einzelkinder und für medizinische Notfälle – denn das kommunistische China ist kein Sozialstaat. Auch die Privatwirtschaft muß das Gros ihrer Investitionen selbst erwirtschaften.

Es gibt keine Unternehmensanleihen, und die von der KP kontrollierten Staatsbanken und Kreditgenossenschaften finanzieren lieber die Staatsbetriebe und die Gemeinden. So blüht derweil angesichts der unterentwickelten Kreditwirtschaft ein „informeller Kapitalmarkt“, der sich über persönliche und Klanbeziehungen abspielt, in Bilanzen nicht auftaucht und sich jeder Kontrolle entzieht. Kurzum, die chinesischen Kreditprobleme erscheinen ebenso „spanisch“ wie die des griechischen Fiskus.

Wenn schon die Schulden von Griechenland (zwei Prozent des Euro-Raumes) eine Weltwährung in die Nähe des Abgrundes ziehen konnten, wieviel stärker werden die Auswirkungen der desolaten Finanzen der mittlerweile zweitgrößten Wirtschaft für die Weltwirtschaft sein? Die großen Rohstofflieferanten Chinas (Australien, Brasilien, Indonesien, Kanada und Rußland) werden dies als erste spüren, dann die asiatischen Exportländer (Japan, Südkorea, Taiwan), die in China endfertigen lassen. Doch selbst wenn China als die derzeitige verlängerte Werkbank der Welt in ernste Turbulenzen geriete, eines ist sicher: Die verlorenen Industriearbeitsplätze werden dennoch nicht nach Europa, Nordamerika oder Japan zurückkehren – der indische Subkontinent läßt grüßen.