© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

CD: Ludwig Thuille
Mit dem Silberstift
Wiebke Dethlefs

Mit bekannt unermüdlichem Eifer, Raritäten der Spätromantik neu vorzustellen, hat das ppp-Musiktheaterensemble (www.pppmt.de) des Musikwissenschaftlers und Regisseurs Peter P. Pachl zwei CDs mit Liedern heute kaum bekannter Komponisten der Jahrhundertwende herausgegeben. Unter dem Titel „Urschlamm-Idyll und Heiligenschein“ präsentiert die eine „auserlesene Gesänge“ von Ludwig Thuille, der vor 150 Jahren zur Welt kam. Die zweite, „Zauberdunkel und Lichtazur“, bietet neben weiteren Liedern Thuilles solche von Erich J. Wolff und Anton Urspruch.

Urspruchs komische Oper „Das Unmöglichste von Allem“ war vor wenigen Wochen zum ersten Mal seit hundert Jahren vom ppp-Musiktheater in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Anton-Urspruch-Gesellschaft (www.antonurspruch.de) wieder auf die Bühne gebracht worden; in diesem Zusammenhang ist auch die Lieder-CD entstanden.

Die Sopranistin Rebecca Broberg, die sich als Spezialistin für die deutsche Spätromantik einen Namen machen konnte, interpretiert auf beiden CDs diese vergessenen Kleinodien der Liedkunst. Broberg ist bekennende Thuilleanerin und interpretiert jedes der Lieder als ein „drama in musica“. Damalige Kabarettautoren wie Otto Julius Bierbaum, Karl Stieler sowie Heine, Uhland und Geibel lieferten die literarischen Vorlagen. Der erste Höreindruck erinnert an Brahms, doch ist dessen Tonsprache bei Thuille durch allerlei Wagnerismen chromatisch gespannt und koloristisch erweitert.

Thuille zeigt bisweilen einen skurrilen Humor, wie in dem „Urschlamm-Idyll“ (nach F. T. Vischer), in dem es herrlich vom „Ichthyosaur“ zum „Ichthyosüß“ kalauert. Thuilles Lieder stehen musikalisch ebenbürtig neben denen von Richard Strauss, sind ihnen aber oft durch eine besondere Intimität überlegen – während Strauss mit leuchtenden Ölfarben zeichnet, setzt Thuille musikalisch Silberstift und Aquarellpinsel an.

Dabei gelingen Thuille auch musikalische Ohrwürmer wie „Von alten Liebesliedern“ (nach Des Knaben Wunderhorn). In Urspruchs Liedern mag die Tonsprache ähnlich sein, doch geht oft die Oberstimme des Klaviers parallel zur Singstimme, was den jeweiligen Klavierpart auch ohne Gesang zu einem eindrucksvollen Vortragsstück werden läßt. Ulrich Urban am Klavier läßt dies deutlich spürbar werden.

Rebecca Broberg nimmt sich der Lieder mit besonderer Vertiefung der textlichen Details an, wie Thuille selbst ja seine Lieder als komponierten Gedichtvortrag verstand. Dadurch erzielt sie ein Höchstmaß an Verständlichkeit des gesungenen Worts. Das Timbre ihres angenehmen warmen Mezzotons ist hierfür ideal. Man darf auf weitere Aufnahmen von ihr gespannt sein.

Ludwig Thuille, Urschlamm-Idyll und Heiligenschein Thorofon 2011 www.bella-musica-edition.de

Zauberdunkel und Lichtazur. Unerhörtes der Zeitgenossen Anton Urspruch, Ludwig Thuille und Erich J. Wolff Thorofon 2011 www.bella-musica-edition.de