© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Arrividerci, Italien
Arte-Themenabend: Wirtschaftskrise zwingt immer mehr junge Italiener zum Auswandern
Martin Lichtmesz

Italien ist ein Land mit einem Doppelgesicht: Auf der Sonnenseite kann man die herrlichen Landschaften, das gute Essen, das einzigartige kulturelle Erbe verbuchen, auf der Schattenseite eine schier unfaßbare mafiotische Korruption, Umweltverschmutzung und vulgären Konsumismus. Die Mieten steigen, die Löhne sinken, der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt, die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, und all die Misere hat einen symbolischen Namen: Silvio Berlusconi, dessen Regentschaft nun zu Ende gegangen ist.

Leider hat sich der „Bunga-Bunga“-Zampano aus populistischen Gründen immer wieder eine konservative Maske aufgesetzt, und so finden es auch die beiden Filmemacher Gustav Hofer und Luca Ragazzi ganz, ganz schlimm und böse, daß sich Silvio scharf gegen die „Homo-Ehe“ ausgesprochen hat. Denn die beiden sind ein nettes, liberales homosexuelles Pärchen, und als solches reisen sie in dem Dokumentarspielfilm „Italy, Love it or Leave it“ in einem Fiat quer durch ihr Land, um zu testen, ob es sich noch lohnt, zu bleiben, oder ob sie nicht lieber ins kostengünstigere Berlin auswandern wollen, das Mekka der internationalen Bohème.

Das klingt schauerlich politisch korrekt, aber trotz einiger nerviger linker Schlagseiten sind die Pointen des unterhaltsamen Films überraschend konservativ geraten. Die Reise, auf der der Südtiroler Gustav, „kein richtiger Italiener“, den „Teufelsadvokaten“ spielt, wird vor allem für Luca zu einer nationalen Identitätssuche, in der ihm etwa angesichts eines sizilianischen Bauern, der trotz erheblicher Repressionen der Mafia trotzt, das eigene „Jammern auf hohem Niveau“ bewußt wird.

Und gottseidank gibt es ja noch Lichtblicke wie den Präsidenten Apuliens, Nichi Vendola. Was dieser von sich gibt, ist nun gar nicht so dumm, und stärkt die Filmemacher in der schlußendlichen patriotischen Erkenntnis, daß man sein Heimatland nicht einfach wechseln kann wie ein gebrauchtes Auto: „Das Leben ist zu kurz, um nicht Italiener zu sein.“

Schwerpunktthema „Bella Italia“ bei Arte. Diverse Filme vom 27. 11. bis 1. 12. – „Italy, Love it or Leave it“ läuft am 28. 11. um 23.25 Uhr.

www.arte.tv