© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Recht auf Akteneinsicht
Urteil: Das Bundesverwaltungsgericht hat Verstöße des Justizministeriums gegen das Informationsfreiheitsgesetz gerügt
Klaus Peter Krause

Das Bundesjustizministerium (BMJ) muß herausrücken, was es jahrelang hartnäckig verweigert hat: seine Stellungnahmen für den Petitionsausschuß des Bundestages. Diejenigen Bürger, die sich beim Ausschuß beschweren, haben einen Anspruch, die Stellungnahmen einzusehen. Das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden und damit Verstöße des Ministeriums gegen das Informationsfreiheitsgesetz gestoppt (Aktenzeichen: BVerwG 7 C 3.11 und BVerwG 7 C 4.11).

Gegenstand der Grundsatzentscheidung waren zwei Fälle. Im ersten verlangte der Kläger Einsicht in die Unterlagen des Ministeriums zu einer Reformbedürftigkeit des Kindschaftsrechts, im zweiten Einsichtnahme in die BMJ-Stellungnahme zur Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung in der einstigen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) 1945 bis 1949 als Opfer einer Verfolgung, die verschleiernd und verharmlosend „Boden- und Industriereform“ genannt wird. Das Justizministerium hatte die Einsichtnahme verweigert und muß sie nun gewähren. Der Kläger hatte sich auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berufen. Es gewährt grundsätzlich jedermann den Zugang zu amtlichen Informationen der Bundesbehörden und ist seit 2006 in Kraft.

Von besonderer Bedeutung ist der zweite entschiedene Fall, weil es Zigtausende von Opfern der kommunistischen „Boden- und Industriereform“ gibt. Er bezieht sich auf zwei Petitionsverfahren, in denen sich die betreffenden Opfer beschwert hatten, weil die ihnen gesetzlich zustehende Rehabilitierung verweigert wird. Auch vor dem Petitionsausschuß blieben sie erfolglos, die Verfahren sind abgeschlossen.

Aber der Münchner Jurist und Experte des Rehabilitierungsrechts Johannes Wasmuth, der sich wissenschaftlich mit der Aufarbeitung von Unrecht in der SBZ und der DDR beschäftigt, wollte wissen, was in der BMJ-Stellungnahme gegenüber dem Petitionsausschuß genau steht, wenn sich dort Opfer politischer Verfolgung in der einstigen sowjetischen Besatzungszone beschwert hatten, weil die ihnen gesetzlich zustehende Rehabilitierung verweigert wird. Er hat nämlich den begründeten Verdacht, das Ministerium habe den Ausschuß mit rechtswidriger und vorsätzlicher Fehlinformation versorgt, dabei die ständige Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof mißachtet sowie Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts absichtlich „fehleingesetzt“, um die Petitionsverfahren zur Rehabilitierungspflicht nach dem Strafrechtlichen und dem Verwaltungsrechtlichten Rehabilitierungsgesetz einseitig und unzulässig zu beeinflussen.

Wegen dieses Verdachts wird auch verständlich, warum sich das Justizministerium mit Händen und Füßen so sehr gegen die Herausgabe gewehrt hat. Was es für den Petitionsausschuß angefertigt hat, ist eine „gutachterliche Stellungnahme“. Es war dabei in zugleich beratender wie informierender Funktion tätig. Abgelehnt hat es die begehrte Einsicht in die Akten mit der Begründung, die Informationen in seiner Stellungnahme bezögen sich auf typische Regierungstätigkeit, jedoch unterliege das Ministerium nur dann Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes, wenn es als Verwaltungsbehörde handele. Alle drei Gerichtsinstanzen haben diese Argumentation nicht gelten lassen und verworfen.

Die schriftliche Begründung seines Urteils liegt vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht vor, wohl aber seine Pressemitteilung. Darin heißt es unter anderem: Das Bundesjustizministerium gehöre zu den zur Auskunft verpflichteten Behörden. Eine Unterscheidung zwischen dem Verwaltungs- und dem Regierungshandeln eines Ministeriums sei im Gesetz nicht angelegt und auch nach dem Gesetzeszweck nicht gerechtfertigt. Insbesondere könne sich das Ministerium hier nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen berufen.“

In beiden Petitionsverfahren und den ihnen zugrunde liegenden Rehabilitierungsbegehren der Verfolgungsopfer ging es um Beschwerden gegen schwerwiegende Defizite in der Rechtspraxis bei Rehabilitierungen von menschenrechtswidrigen Willkürmaßnahmen von KPD und SED in der SBZ nach 1945 und den Folgejahren. Dabei sind die Defizite eigentlich nicht in den gesetzlichen Rehabilitierungsvorschriften zu suchen, um sie dann entsprechend nachzubessern, sondern – wie es der Rehabilitierungsrechtsexperte Julius A. Kempe in der Online-Zeitschrift WiROZ für Wiedergutmachung und Rehabilitierung formuliert hat – in „schweren Defiziten und Versäumnissen der Gesetzesdurchführungen“, die an erster Stelle dem Bundesjustizministerium selbst anzulasten seien.

Wenn es um behördliche und gerichtliche Fehlleistungen bei Rehabilitierungen von Verfolgten des NS-Regimes gehe, so Kempe, reagiere das Ministerium prompt und greife hier auch nachhaltig korrigierend durch. Aber bei Rehabilitierungsfällen aus der SBZ-Zeit und bei entsprechenden „Entgleisungen“ und Rechtsverweigerungen lasse das Ministerium die Opfer „in die Falle“ der Fehlanwendungen der Gesetze durch Behörden und Gerichte laufen, schlimmer noch: Die Indizien verdichteten sich immer mehr, daß es diese Fehlanwendungen durch eigene Mißgriffe und Fehlleistungen selbst anstoße.

www.wiroz.eu

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